Die letzten Gerechten: Roman (German Edition)
Natur, jeden Menschen gegen dich einzunehmen. Du hast nur eine Chance– dich hier mit mir zusammenzutun. Und nun sag mir, ob du das verstanden hast.«
Cale betrachtete ihn eine Weile, dann nickte er, so zögernd es nur ging. Bosco nickte zurück.
»Dann schlaf gut. Gottes Segen.«
Kaum war Bosco gegangen, klopfte es an der Tür, und der Akoluth Model trat herein. Zu seiner eigenen Überraschung entdeckte Cale, wie sehr er sich freute, ihn wiederzusehen.
»Herr?«
»Du siehst gut aus.« Und so war es auch. Das lag nicht nur daran, dass Model auf Cales Befehl mehr zu essen bekam, sondern auch an der Qualität der Nahrung. Models Gesicht war voller geworden– nicht dick, doch so, dass es nicht mehr so wirkte, als bekäme er nicht genug zu essen und müsse stundenlang körperlich schwer arbeiten. Seine Haut glänzte und war nicht mehr fleckig und stumpf. Zwei anständige Mahlzeiten am Tag waren, wie Cale klar geworden war, eines der größten Geschenke, die das Leben zu bieten hatte. Keine schlechte Idee, das auch den Purgatoren zuteilwerden zu lassen.
»Geht es Euch gut, Herr?«
»Ja.«
»Wir sind alle ganz begeistert von Eurem großen Erfolg.«
»Wir?«
»Die Akoluthen.«
Cale fiel auf, dass sich Model ein wenig seltsam verhielt, deutlich zurückhaltender als sonst.
»Was gibt es noch?«
»Herr?«
»Spuck es endlich aus.«
»Ich habe mein Essen mit meinen Freunden geteilt, Herr.«
»Und nun bist du in Schwierigkeiten?«
»Darum geht es nicht. Aber einer von ihnen macht Dienst am Wehr Nummer zwei.« Jetzt zögerte Model noch mehr. »Und dort hat er einen Spion der Antagonisten gefangen genommen… Er behauptet, mit Euch befreundet zu sein.«
Cale war verwundert und bestürzt zugleich. Kein Wunder, dass Model so verlegen war. Wer eine solche Information weitermeldete, hielt pures Gift in der Hand.
»Ich kenne niemanden, auf den das zutreffen würde, aber ich werde es für mich behalten. Hat er denn einen Namen genannt?«
»Er wollte ihn nicht sagen, aber er gab meinem Freund eine Nachricht für Euch.« Model griff in eine nicht erlaubte Geheimtasche in seiner Kutte und holte ein Stück Papier heraus. Es war gefaltet und versiegelt, der Himmel mochte wissen, womit. Cale öffnete die Nachricht. Zwei Wörter. Das Blatt war eindeutig aus einem Gebetbuch gerissen worden.
» VAGUE HENRI .«
ZEHNTES KAPITEL
H
at man ihn gefoltert?«
»Anscheinend nicht«, sagte Bosco.
»Wusstet Ihr denn, dass er hier war?«
»Du musst mich für einen mittleren Beamten im Gefängnis Pelago halten. Warum sollte ich Kenntnis davon haben, dass man ihn gefangen hatte?«
»Ich will, dass er freigelassen wird.«
Zu seiner Überraschung antwortete Bosco gelassen: »In Ordnung.« Bosco lächelte. »Hast du erwartet, dass ich mich weigere?«
»Ja.«
»Warum? Es ist doch offensichtlich, dass er nur hierherkam, um wieder mit dir zusammen zu sein. Und wir beide wissen, dass du nicht vorhast, von hier zu verschwinden.«
Cale wusste, dass sich Bosco über ihn lustig machte, und wechselte das Thema.
»Warum wurde er nicht gefoltert?«
»Gute Frage, wenn ich das sagen darf. Ein Verwaltungsfehler. In Kerker Nummer vier ist Gefängnisfieber ausgebrochen, deshalb sind die übrigen Zellen überfüllt. Kam also durch Überfüllung und Arbeitsüberlastung zu Stande. Hinzu kam, dass man einem Mönch, dem man Gomorrha vorwirft, dieselbe Gefangenennummer gab wie deinem treuen Freund.«
»In den Gefängnissen hier scheinen eine Menge Fehler gemacht zu werden.«
»Das mag stimmen, aber vielleicht war es Gottes Wille.«
»Ich würde jetzt gern mit ihm sprechen.«
»Ich schicke Bruder Gil, er kennt ihn. Ist das für dich in Ordnung?«
Nicht dass Bosco von Cale Dank erwartet hätte, aber er stellte belustigt fest, dass Cale verlegen war. Cale gab keine Antwort. Bosco ging zur Tür, aber als er sie öffnete, drehte er sich noch einmal um und fragte freundlich: »Hättest du etwas dagegen, wenn ich dich frage, warum er hierherkam?«
Cale schüttelte den Kopf.
»Nein.«
»Nun?«
»Ich habe nichts dagegen, wenn Ihr mich fragt.«
»Wie man sich doch an Veränderungen erst gewöhnen muss. Für diese Antwort wärest du früher ordentlich verprügelt worden.«
»Wirklich?«
»Es ist mir nicht sehr wichtig. Dein Akoluth scheint dich sehr zu mögen.«
»Ich habe keinen Akoluthen.«
»Aber natürlich hast du einen. In jeder Hinsicht. Ich frage mich, wie sich die Dinge zwischen dir und mir verändert haben, aber ich frage mich auch,
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