Die letzten Gerechten: Roman (German Edition)
entsprechend verändert: Er war jetzt zwar mehr mit ihm vertraut, aber es war so ungefähr wie mit Essen und Trinken– ein paar Stunden später war man wieder genauso hungrig danach wie beim ersten Mal. Aber warum konnte er sich nicht daran gewöhnen?
Er schloss die Augen, damit sie nicht merkte, dass er sie genau betrachtete. Das hatte nun weniger damit zu tun, dass ihr diese genaue Betrachtung peinlich gewesen wäre; eher schämte er sich dafür, dass ihn ihr Körper dermaßen faszinierte. Weil sie auf ihm saß und sich zurücklehnte, spannten sich ihre Schenkel über die Knochen und ließen die starken Muskeln deutlich hervortreten. Sie hatte nicht die langen, schlanken Beine der Materazzi-Mädchen, auf die er manchmal einen heimlichen Blick hatte erhaschen können, wenn sie bei einem Ball unverfroren durch die Säle flanierten, in Kleidern, die bis zum Oberschenkel aufgeschlitzt waren und eine elegante Glätte enthüllten, die zu erforschen wohl einem wie Kleist niemals erlaubt werden würde. Und die Huren in Kitty-Town waren nicht so fohlenhaft schlank und elegant, denn sie waren plumpe Mukie-Mädchen mit sehr unterschiedlicher Größe und Gestalt oder fröhliche Vasconerinnen mit riesigen braunen Augen. Doch bei keiner von ihnen hatte er so prächtig muskulöse Schenkel gesehen wie bei Daisy, die in völligem Gegensatz zum Rest ihrer Figur standen, wie die Schenkel eines ungewöhnlich starken jungen Mannes. Und dann die Behaarung und die gefalteten Hautlippen zwischen ihren Beinen– die Quelle all seines Staunens und seiner Bewunderung. Völlig unvorstellbar, dass er bis vor ein paar Monaten noch angenommen hatte, die Besitzerinnen dieses teuflischen Spielplatzes mussten etwas zwischen den Beinen haben, das ihm vertraut erscheinen würde– etwa zwei Eier und einen Schwanz, der aber vielleicht mit einer scharfen Spitze oder irgendwie brutaler ausgestattet war, wie es sich für etwas derart Höllisches wohl ziemen würde. Dass da zwischen ihren Beinen in Wirklichkeit etwas so Weiches, Sanftes versteckt lag, raubte ihm buchstäblich den Atem und erfüllte ihn mit blanker Freude. Ist’s ein Gedanke? Oder doch ein Ding? Und dann ihr Bauch, umgeben von einem kaum wahrnehmbaren Speckring. Ihre runden Brüste, rosarot und an der Spitze braun, der starke Hals, die vollen Lippen mit einem Schimmer dieses wachsigen rötlichen Zeugs, das sie fast immer auftrug. Und ihre glücklich lächelnden Augen, eingerahmt von langem Haar.
»Fällt dir etwas auf an mir?«, fragte sie. »Wenn du endlich mit Anstarren fertig bist.«
Er öffnete die Augen.
»Magst du es nicht, wenn ich dich anschaue?«
»Ich liebe es. Aber du musst es nicht heimlich tun.«
»Ich habe es nicht heimlich getan«, sagte er leicht verärgert.
»Jetzt wird er auch noch wütend«, seufzte sie. »Du kannst mich so oft anschauen, wie du magst. Aber du hast meine Frage noch nicht beantwortet. Also?«
Offenbar war da etwas, das er bemerkt haben sollte.
»Ich weiß nicht«, erwiderte er, während er sie von oben bis unten prüfend anschaute. »Sag es mir.«
»Du hast überhaupt keine Ahnung?«
Jetzt fiel ihm auf, dass sich ihr Ton und ihr Gesichtsausdruck völlig verändert hatten. Sie war nicht verärgert, weil er die hübschen Zöpfchen in ihrem Haar oder den besonders sorgfältig lackierten Nagel am Mittelfinger nicht bewundert hatte. Schließlich hockte sie nackt auf ihm. Was also war anders an ihr?
»Ich bin schwanger.«
Er starrte sie an, als verstünde er kein Wort. Und genau das war auch der Fall.
»Ich weiß nicht, was das heißt.«
Nun starrte sie ihn gleichermaßen verblüfft an. Die Sache würde wohl schwieriger werden oder zumindest seltsamer, als sie es sich vorgestellt hatte.
»Ich bekomme ein Kind.«
Obwohl sich seine Miene von Unverständnis zu blankem Staunen veränderte, hatte Daisy nicht den Eindruck, dass ihm damit auch eine Erkenntnis dämmerte.
»Aber… wie denn?«, fragte er entsetzt.
»Wie meinst du das?«
»Wie kommt es, dass du ein Kind bekommst?«
»Weißt du denn nicht, wie man Kinder macht?«
»Nein.«
»Das haben sie euch in dieser Erlöserburg nicht beigebracht?«
»Bis vor ein paar Monaten habe ich noch nie eine Frau zu sehen bekommen. Nein. Ich weiß nichts darüber. Wovon redest du eigentlich?«
»Aber warum hast du nicht danach gefragt?«
»Wonach– woher die Kinder kommen? Warum denn?«
»Was glaubst du, woher sie kommen?«
»Ich weiß es nicht. Warum sollte ich denn über kleine Kinder
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