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Die Letzten ihrer Art 01 - Der letzte Elf

Die Letzten ihrer Art 01 - Der letzte Elf

Titel: Die Letzten ihrer Art 01 - Der letzte Elf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvana de Mari
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Kirschbaum eben seine letzten Blätter abwarf. Zu ihrer Rechten lag, zwischen Felsen und nur durch reißendes Wasser zu erreichen, die schmale Treppe, die zu dem sehr hohen Felsen hinaufführte, auf dem noch die Aufschrift HIC SUNT DRACONES zu lesen war. Ein Teil dieser Treppe war unwiderbringlich verschüttet und die Aufschrift stimmte auch nicht mehr. Auf ihrer unzugänglichen Gebirgshöhe, von allem und von allen abgeschnitten, bewahrte die Bibliothek nunmehr ihre nutzlosen Schätze.
    Wenn er sich auf Robi besann, gelang es Yorsch, sich nicht von der Angst überwältigen zu lassen.
    HIC SUNT DRACONES.
    Nie mehr, bis ans Ende aller Zeiten.
    Aber da war Robi, auf der Welt gab es Robi. Und auch die anderen. Mittlerweile kannte er sie alle, jeden Einzelnen. Das war ein merkwürdiges Gefühl, nach seinem bisherigen Leben in Einsamkeit.
    Es gab Robi und sie war bei ihm. Er musste sich das immer wieder vorsagen.
    »Wie kommen wir da durch?«, fragte Creschio entsetzt vor diesem großartigen und schwindelerregenden Wasserfall.
    »Ich weiß es nicht«, antwortete Yorsch aufrichtig.
    »Das schaffen wir nie!«, setzte Moron mutlos hinzu.
    »Aber sicher schaffen wir das«, ermunterte Robi sie, »es geht gar nicht, dass wir das nicht schaffen. Die Einwohner von Arstrid sind auch schon hier hinuntergekommen. Es muss möglich sein!«
    Yorsch schöpfte wieder Mut. Erbrow konnte nicht umsonst gestorben sein. Sie würden es schaffen. Er musste nur genauer nachdenken. Er sah sich um. Das Meer war blau. Rings um sie herum leuchtete das Laub rot und golden an den schon fast kahlen Bäumen, während die Gipfel der Schattenberge schneeweiß glänzten. Es musste einen Weg geben.
    Ihm fiel nichts ein.
     
     
    »He, das ist doch nicht schwer, man braucht nur zu graben«, brummte eine Stimme hinter ihm, nein, zwei.
    Die zwei Bergarbeiter der Grafschaft Daligar hatten sich umbenannt in Die Fröhlichen Bergleute , in Anlehnung an die Figuren einer seltsamen und heroischen Geschichte, Figuren, die Yorsch eben nach ihrem Vorbild erfunden hatte. Seither fühlten sie sich, nach einem mehr oder weniger als Pack- und Arbeitstiere zugebrachten Leben, mit neuer Würde und Bedeutung ausgestattet. Zum ersten Mal in ihrem Leben, in dem sie sich immer nur getraut hatten, untereinander leise zu murren, wagten sie nun, laut und vernehmlich zu sprechen und etwas öffentlich vorzutragen. Die Fröhlichen Bergleute waren auf die Südwand der Klamm geklettert. Da war nicht nur Felsen, sondern auch Erdreich. Mithilfe von Holzstützen konnten sie in der Wand hinter dem Wasserfall Stufen in den Felsen hauen. Sie brauchten eine Mannschaft mit Leuten, die nach und nach das Erdreich, das sie wegschlugen, beiseiteräumten. Ein paar Männer, die sie ablösen konnten, wenn sie müde waren, gerade und spitze Holzbalken, um die Stufen abzustützen.
    Wenn alle mit anpackten, konnten sie es schaffen.

KAPITEL 24
    E in halber Tag reichte dafür nicht. Sie brauchten drei Tage, drei volle Tage. Am Schluss war keiner mehr unter ihnen, der nicht von oben bis unten mit Schlamm überzogen war. Sie mussten sich ihren Weg zuerst ins Erdreich, später in den Felsen hauen, und dazu anstelle von Pickeln, die sie nicht besaßen, spitze Steine verwenden.
    Die Arme waren derart müde, dass es unvorstellbar schien, dass sie es jemals nicht mehr sein könnten.
    Es war ein langsamer, mühseliger und großartiger Abstieg. Vor ihnen lag offen das Meer, neben ihnen toste der Wasserfall und zerstäubte in schillernden Nebeln. Die Luft roch nach Salz, vermischt mit dem Duft von Myrte und wildem Fenchel, die zusammen mit winzigen wilden Orchideen hartnäckig in den Felsritzen wuchsen. Als sie allmählich immer weiter hinunterkamen, wurde der Süßwassersee sichtbar, in den sich der Wasserfall ergoss, er lag unter ihnen in einem Pinienhain, gesäumt von einem sehr langen weißen Strand. Auf der einen Seite zog sich die Küste flach dahin, auf der anderen Seite schloss ein wilder und dicht bewachsener Felsvorsprung die Bucht ab. Nachts brannten dort kleine Lichter, das waren die neuen Häuser von Arstrid!
    Yorsch hatte keine Kraft und keine Ideen mehr, um noch weiter Geschichten zu erzählen, aber die Landstreicher holten ihre Instrumente hervor, die Musik gab den Arbeitenden die Kraft zum Weitermachen. Sie bissen die Zähne zusammen und gaben nicht auf. Stunde um Stunde, Spanne um Spanne gruben sie sich ihren Weg hinunter.
    Während sie sich ihren Weg bahnten, bemerkten sie verkohlte Seilstücke,

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