Die letzten ihrer Art
schleunigst die Kurve zu kratzen.
Wenn Leute vom »schwärzesten Afrika« sprechen, meinen sie in der Regel Zaire. Zaire ist das Land der Dschungel, der Berge, der gewaltigen Flüsse und der Vulkane; das Land, in dem es mehr exotische Tiere gibt, als man vernünftigerweise mit einem Stock in die Flucht zu schlagen versuchen sollte, in dem von der westlichen Zivilisation noch immer weitgehend unberührte Jäger- und Sammler-Pygmäenstämme leben und das weltweit über eines der schlechtesten Verkehrssysteme verfügt. Dies ist das Afrika, in dem Stanley auf Dr. Livingstone zu treffen hoffte.
Bis zum 19. Jahrhundert war dieser riesige Abschnitt Afrikas nichts weiter als ein schwarzes Loch auf jeder europäischen Karte des Schwarzen Kontinents, aber kaum war Livingstone in das Innere dieses schwarzen Lochs vorgedrungen, begann es eine ungeheuerliche Anziehungskraft auf die restliche Welt auszuüben.
Die ersten, die ins Land strömten, waren die Missionare: Katholiken, die kamen, um den Eingeborenen von den Irrwegen der Prostestanten zu erzählen, und Protestanten, die kamen, um den Eingeborenen von den Irrwegen der Katholiken zu erzählen. Einig waren sich Protestanten und Katholiken nur in dem Punkt, daß die Eingeborenen sich zweitausend Jahre lang auf einem Irrweg befunden hatten.
Kurz nach den Missionaren folgten Kaufleute auf der Suche nach Sklaven, Elfenbein, Kupfer und geeignetem Land für Plantagen. Mit Hilfe von Stanley, der einen Fünf-Jahres-Vertrag zur Erschließung von Zentralafrika abgeschlossen hatte, beanspruchte König Leopold von Belgien diesen ausgedehnten Landstrich 1885 erfolgreich für sich und setzte dessen Einwohner umgehend einer einzigartig brutalen und skrupellosen Form der Kolonialisierung aus, um ihnen so die Bedeutung des Wortes »falsch« überaus anschaulich und überzeugend zu vermitteln.
Als Nachrichten von den schlimmsten Greueltaten nach außen durchsickerten, zwang man Leopold, »sein« Land der belgischen Regierung zu übergeben, die anschließend tatkräftig dafür sorgte, daß sich so gut wie nichts an den dortigen Zuständen änderte. In den fünfziger Jahren jedoch, als sich die Unabhängigkeitsbewegungen wie ein Lauffeuer über Afrika ausbreiteten, waren die Kolonialherren 1959 nach Unruhen und grauenvollen Massakern in der Hauptstadt Kinshasa derartig angeschlagen, daß sie dem Land für das folgende Jahr die Unabhängigkeit zusicherten. 1971 wurde der Landesname »Belgisch-Kongo« schließlich in »Zaire« geändert.
Zaire ist, am Rande bemerkt, ungefähr achtzigmal so groß wie Belgien.
Wie die meisten Kolonien hatte sich auch Zaire eine alles erstickende Bürokratie zugelegt, deren alleinige Funktion darin bestand, Entscheidungen nach oben an die Kolonialherren des Landes zu verweisen. Beamte vor Ort waren selten befugt, Dinge zu tun, sondern nur, sie zu verhindern, bis die Bestechungsgelder eingegangen waren. Sind die Kolonialherren dann vertrieben, zappelt die Bürokratie weiter wie ein kopfloses Huhn, zu nichts anderem fähig, als sich selbst ein Bein zu stellen, allem und jedem im Weg zu stehen und sich, falls die nötigen Waffen zur Hand sind, in den Fuß zu schießen. Ehemalige Kolonien erkennt man immer an der unverhältnismäßigen Zahl von Menschen, deren einzige Beschäftigung darin besteht, Menschen mit einer Beschäftigung an deren Ausübung zu hindern.
Nach fünf Stunden schläfrigen Geholpers in einem Lastwagen trafen wir in Bukima ein, jenem Dorf am Fuß der Virungas, an dem die Straße endet und von dem aus wir zu Fuß weiterreisen mußten.
Oberhalb des Dorfes, vor einem großen Platz, stand ein lächerlich imposantes Ex-Kolonial-Gebäude, das, abgesehen von einem lächerlich kleinen, in den letzten Winkel gezwängten Büro, leer stand, in dem ein kleiner, uniformierter Mann sich düster grinsend in unsere Gorilla-Passierscheine vertiefte, als habe er so etwas noch nie oder wenigstens seit einer guten Stunde nicht mehr gesehen. Anschließend beschäftigte er sich einige Minuten lang mit einem Kurzwellenfunkgerät, bevor er sich wieder uns zuwandte und sagte, er wisse genau, wer wir seien, habe uns erwartet und werde uns wegen unserer guten Kontakte zum World Wildlife Fund in Nairobi einen zusätzlichen Tag bei den Gorillas zugestehen, und wer zum Teufel wir eigentlich seien, und warum ihm niemand erzählt habe, daß wir kämen?
Da wir nicht meinten, ihm bei der Beantwortung dieser Fragen behilflich sein zu können, ließen wir ihn allein und machten uns auf
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