Die letzten ihrer Art
die Suche nach ein paar Trägern, die uns auf dem dreistündigen Fußmarsch zu unserem Nachtquartier, der Hütte des Wildhüters, begleiten sollten. Sie waren nicht schwer zu finden. Vor unserem Transporter hatte sich eine hoffnungsvolle Schar von ihnen versammelt, und unser Fahrer wollte unbedingt wissen, wie viele wir zum Transport aller unserer Taschen brauchen würden. Er schien das Wort »aller« ziemlich nachdrücklich zu betonen.
Plötzlich wurde uns etwas mit schrecklicher Deutlichkeit bewußt. Wir waren so scharf darauf gewesen, möglichst schnell aus Goma wegzukommen, daß wir einen entscheidenden Aspekt unseres Planes vergessen hatten, nämlich den Großteil unserer Sachen in einem Hotel in der Stadt zurückzulassen. Infolge dieser Nachlässigkeit hatten wir mehr Gepäck bei uns, als wir für den Ausflug zu den Gorillas tatsächlich brauchten.
Wesentlich mehr.
Außer der Gorilla-Beobachtungs-Grundausrüstung – Jeans, T-Shirt, irgendwas Wasserdichtes, einer Tonne Kameras und Dosenbirnen – hatte ich einen immensen Vorrat an schmutziger Wäsche dabei, einen Anzug und Schuhe, die ich bei einem Treffen mit meinem französischen Verleger in Paris getragen hatte, ein Dutzend Computerzeitschriften, ein Wörterbuch, zig Bände von Dickens' »Gesammelten Werken« und das Holzmodell eines Komodo-Warans. Ich halte es für richtig, mit wenig Gepäck zu reisen, aber ich halte es auch für richtig, mit dem Rauchen aufzuhören und rechtzeitig vor Weihnachten einkaufen zu gehen.
Ohne uns anmerken zu lassen, wie entsetzlich peinlich uns die Sache war, wählten wir eine Trägermannschaft aus, die diesen kleinen Berg für uns auf die Virunga-Vulkane schaffen sollte. Es störte sie nicht. Solange wir sie dafür bezahlen konnten, Dickens und Drachen zu den Gorillas rauf- und wieder runterzutragen, war für sie alles in bester Ordnung. Der weiße Mann hatte in Zaire wesentlich Schlimmeres angestellt, wenn auch vielleicht nichts wesentlich Dämlicheres.
Der lange Aufstieg zur Wildhüterhütte war mühsam und häufig von Pausen unterbrochen, in denen wir unsere Zigaretten und Coca-Cola-Vorräte mit den Trägern teilten, während sie die mit Dickens und den Computermagazinen gefüllten Taschen regelmäßig untereinander austauschten und verschiedene neuartige Methoden ausprobierten, sie auf dem Kopf zu behalten.
Die meiste Zeit trampelten wir durch feuchte Sagofelder, und mir kam plötzlich ein ebenso lächerlicher wie beglückender Gedanke. Wir marschierten durch das einzige mir bekannte Anagramm meines Namens – nämlich »Sago Mud Salad«. Ich stellte alberne Mutmaßungen an, welche tiefere, kosmische Bedeutung sich möglicherweise dahinter verbarg, und als ich den Gedanken endlich fallenließ, lag die Hütte, ein eher spartanischer, aber immerhin neuer und solider Holzbau, im schwächer werdenden Abendlicht vor uns.
Feuchte, schwere Nebelschwaden hingen über der Gegend und verhüllten die weit entfernten Vulkangipfel fast vollständig. Den unerwartet kalten Abend verbrachten wir im Schein zischender Grubenlampen; wir aßen unsere Dosenbirnen und das letzte verbliebene Brötchen und unterhielten uns in gebrochenem Französisch mit unseren beiden Führern, die Murara und Serundori hießen.
Beide, unnachahmlich elegante Typen in Tarnanzügen und schwarzen Uniformmützen, hingen schlapp über dem Tisch und streichelten gelangweilt ihre Gewehre. Wie sie uns erklärten, liefen sie bloß in diesem Aufzug herum, weil sie früher zu einer Kommandoeinheit gehört hatten. Alle Führer müßten Waffen tragen, erzählten sie uns, zum einen zum Schutz vor den wilden Tieren, vor allem aber für den Fall, daß sie auf Wilderer stießen. Murara sagte, er selbst habe schon fünf Wilderer erschossen. Achselzuckend fuhr er fort, so was sei pas de problème . Kein Ärger mit Ermittlungen oder ähnlichem; er hatte sie einfach erschossen und war nach Hause gegangen. Er lehnte sich auf seinen Stuhl zurück und befingerte beiläufig das Visier seines Gewehrs, während wir nervös mit unseren Birnenhälften herumspielten.
Natürlich stellt jede Form von Wilderei die größte Bedrohung für das Überleben der Berggorillas dar, aber man fragt sich doch unwillkürlich, ob man das Problem wirklich löst, indem man die Jagdsaison auf Menschen für eröffnet erklärt. Noch sind wir zwar keine gefährdete Art, aber es ist nicht so, daß wir nicht oft genug versucht hätten, eine zu werden.
Die Wilderei verliert heutzutage allerdings an Bedeutung –
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