Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die letzten Monate der DDR: die Regierung de Maizière und ihr Weg zur deutschen Einheit

Die letzten Monate der DDR: die Regierung de Maizière und ihr Weg zur deutschen Einheit

Titel: Die letzten Monate der DDR: die Regierung de Maizière und ihr Weg zur deutschen Einheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ed Stuhler
Vom Netzwerk:
gewesen ist, kommt es auf drei Sitzungen nun auch nicht mehr an. Das war eine Art von Demütigung, wer auch immer die da jetzt im Einzelnen eingefädelt hat. Ich jedenfalls habe gesagt, ich persönlich würde das nicht mitmachen. Ich bin in meinem Büro in dieser alten Volkskammer geblieben, bin nicht umgezogen und war dann der Einzige da, mit meiner Sekretärin. Einfach als Demonstration, dass ich mich so nicht demontieren lassen würde.«
      Höppners Alleingang führt zu einer brenzligen Situation. Als es im September wieder mal zu Unruhen in verschiedenen Haftanstalten der DDR kommt, rebellieren auch im Gefängnis Rummelsburg die Häftlinge. Vor dem Eingang der nun fast leeren Volkskammer stehen nur noch zwei gelangweilte Polizisten, als der Sprecher der Gefängnisinsassen von Rummelsburg, ein mehrfacher Mörder, den Volkskammerverantwortlichen in Sachen Amnestie zu sprechen verlangt: »Der hatte offenbar Urlaub bekommen. Die Polizisten wussten nicht, was sie machen sollten, riefen meine Sekretärin an, in dem Haus waren nur noch meine Sekretärin und ich, und dann kam dieser Mörder zu mir hoch, wir setzten uns zusammen ins Zimmer und unterhielten uns lang und breit über die Situation in Rummelsburg und was man denn tun könne, und dergleichen mehr. Es war eigentlich ein ganz normales Gespräch. Aber wenn ich mir heute vorstelle, der ist da ohne Begleitung durchs Haus gelaufen, und ich war mit dem allein im Zimmer! So war das Ende der Volkskammer.«
      Auch CDU-Ministerin Christa Schmidt ist fassungslos: »Plötzlich war man um unsere Gesundheit besorgt, dass wir uns nicht noch was mit dem Asbest holen. Wir durften nicht mehr in den Palast der Republik. Ich fand das eine Infamie höchsten Grades! Das eine Mal hätten wir auch noch überstanden. Ich fand das schon herabwürdigend, uns da einfach zu verbannen und uns nicht mehr reinzulassen.«
      »Das war eine Entscheidung gesundheitsmäßig, aber natürlich auch eine politische Entscheidung«, rechtfertigt sich Bauminister Axel Viehweger. »Das muss man ehrlicherweise sagen. Kann man es machen oder kann man es nicht machen? Muss man es machen?

    Axel Viehweger, Minister für Bauwesen, Städtebau und Wohnungswirtschaft

    Es war schwierig genug, den zu schließen, denn kurz danach sollte ja der SPD-Parteitag dort stattfinden, der Bundesparteitag. Da weiß man immer, es gibt einen politischen Aufschrei. Andererseits, wenn man es nicht gemacht hätte, hätte man behauptet, wir wollen mutwillig vergiften.
      Es war notwendig, ihn zu schließen, so leid mir das tut. Ich habe den Palast der Republik vorher nicht gekannt. Ich wohnte in Dresden, man ist selten nach Berlin gekommen. Ich habe ihn vorher als Privatperson nicht besucht, war da nie kegeln. Ich habe ihn in dieser Zeit als Minister kennengelernt, in dem Sinne auch schätzen gelernt mit seinen Möglichkeiten. Das war technisch einfach gut, und es war genug Platz da für Verabredungen, für Gespräche. Er war gut geeignet und praktikabel. Und ich denke, er hätte einfach weiter nützlich sein können. Aber mit dem, was man dann dort bei Videoaufnahmen hat rieseln sehen, war es einfach nicht mehr verantwortbar.«

    8. Der erste Staatsvertrag

    »Kommt die D-Mark, bleiben wir,
kommt sie nicht, geh'n wir zu ihr.«
Volk

    Vom 15. bis 19. Mai sollte nach den Planungen des alten SED-Zentralkomitees der 12. Parteitag der SED im Palast der Republik stattfinden. Berichterstatter: Erich Honecker. Aber der Wind hat sich gründlich gedreht. Honecker versteckt sich im sowjetischen Militärhospital in Beelitz, und zwischen der Bundesrepublik und der DDR stehen die Verhandlungen über einen ersten Staatsvertrag, den Vertrag über die Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion, kurz vor dem Abschluss. Am 18. Mai wird er in Bonn von den Fi nanz ministern Walter Romberg und Theo Waigel feierlich unterzeichnet.
      Verhandlungsführer der DDR ist Günther Krause, Parlamentarischer Staatssekretär beim DDR-Ministerpräsidenten, von Seiten der Bundesrepublik ist es Hans Tietmeyer, Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, der spätere Bundesbankpräsident. Der erste Entwurf stammt von der bundesdeutschen Seite. Tietmeyer in seinen Erinnerungen: »Am 27. April 1990 kam es (…) zu einer ersten Lesung des von uns als Arbeitspapier vorgelegten Vertragsentwurfes. Günther Krause erklärte zu Anfang des Gesprächs, dass die DDR-Seite diesen Entwurf als Grundlage für die Verhandlungen akzeptieren könne, jedoch eine Reihe von

Weitere Kostenlose Bücher