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Die letzten Monate der DDR: die Regierung de Maizière und ihr Weg zur deutschen Einheit

Die letzten Monate der DDR: die Regierung de Maizière und ihr Weg zur deutschen Einheit

Titel: Die letzten Monate der DDR: die Regierung de Maizière und ihr Weg zur deutschen Einheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ed Stuhler
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Währungsunion den Zusammenbruch der DDRWirtschaft nicht bewirken, sondern verschärfen werde. Das ist ja ein feiner Unterschied! Denn wir hatten ja das Geheimgutachten von Planungschef Schürer gelesen. Das habe ich vor der Wahl zwar noch nicht gesehen, erst später, aber Lothar de Maizière kannte es schon, weil er ja im Kabinett Modrow Mitglied war, und da ist das auch zur Kenntnis gegeben worden. Wir wussten, dass der Staat

    »Analyse der ökonomischen Lage der DDR mit Schlussfolgerungen« von Gerhard Schürer, Ende Oktober 1989 dem Politbüro unter Egon Krenz vorgelegt. Näheres siehe Kapitel 12.
    DDR in Devisen hoch verschuldet ist und da nicht aus eigener Macht herauskommen kann. Dann habe ich zu der Währungsunion gesagt: ›Lieber mit ruinierter Wirtschaft in die Einheit als ohne Einheit mit ruinierter Wirtschaft.‹«
      Natürlich weiß de Maizière um die Gefahren der Währungsunion: »Es gab ein Institut für Wirtschaftsforschung in der Wuhlheide, von denen bekam ich ein Papier: Ein Drittel der DDR-Betriebe wird sofort die Produktion einstellen müssen, wenn die D-Mark kommt, zum Beispiel der Kupferbergbau. Ein Drittel wird nur mit größten Sanierungsanstrengungen überleben können. Und ein Drittel wird sich relativ schnell am Markt behaupten. Und dann kam der entscheidende Satz: aber nur mit der Hälfte der Beschäftigten als bisher. Das ist letztendlich die Krux. Die deutsche Einheit wird beurteilt nach der Situation auf dem Arbeitsmarkt. Das ist ein gewichtiger Teil, auch ein bitterer Teil – aber er ist nicht alles.«

    In den Monaten vor dem Tag des Umtausches blüht die Währungskriminalität. Die Grenze ist durchlässig, das Preisgefälle enorm. Die Wechselstuben in West-Berlin tauschen eine DM gegen zehn DDRMark. Die West-Berliner lassen sich im Osten für 2,50 Mark ihre Dauerwelle machen, die sie im Westen 80 DM gekostet hätte. Die Brötchen kriegt man nach wie vor für fünf Pfennige, das Kilo Brot für 50. Die zahlreichen Eckkneipen im Osten sind rammelvoll, kostet ein Bier doch nur 51 Pfennig.
      Tietmeyer und de Maizière überlegen tagelang, welche Missbrauchsmöglichkeiten es beim Währungsumtausch geben könnte. »Ich weiß noch, dass Herr Tietmeyer mich fragte, woher ich das alles wisse, ich hätte ja beinah eine kriminelle Intelligenz! Ich antwortete: ›Ich bin Anwalt, ich weiß, was Straftaten sind.‹ Trotzdem haben wir nicht verhindern können, dass nachträglich Rechnungen umgeschrieben worden sind. Das blieb aber alles noch in Maßen. Das war ja die größte Währungsumstellung, die Europa erlebt hat, bevor es die Euroumstellung gab.«
      Die Banken der DDR sind längst noch nicht in dem Maße computerisiert, wie das schon in der Bundesrepublik der Fall ist. Die Frage steht also, wie kann man den ganzen Prozess kontrollieren, wie

    27.6.1990, Berlin, Schlange vor der Sparkasse am Alexanderplatz

    kann man Missbrauch vermeiden? Klaus Reichenbach: »Im Endeffekt ist es dann kunterbunt gelaufen, kontrolliert hat es niemand so richtig. Und es ist nach Gott und der Welt umgetauscht worden. Die großen Vermögen haben die Leute verteilt, die haben dann ganz anderes Geld eingereicht und so weiter. Das, was wir uns vorher lange überlegt hatten, wo wir stunden- und tagelang gesessen haben, konnte dann nicht mehr eingehalten werden. Die deutsche Währungsunion ist dann eben einfach gelaufen, so wie sie gelaufen ist.«
      Lothar de Maizière schildert, welche Probleme und »Merkwürdigkeiten«, wie er es ausdrückt, beim Umtausch auftreten: »Bundesbank-Vizepräsident Helmut Schlesinger sagte zu mir: ›Sie haben doch das Geld genauso gesplittet wie bei uns, 50 DM, 20 DM, 10 DM, 5 DM und so weiter. Aber es fehlen überall die 20DMScheine. Wie erklären Sie sich das?‹ Ich habe ihm gesagt: ›Das ist sehr einfach, Herr Schlesinger, die Leute verdienen bei uns die Hälfte von dem, was die Menschen im Westen verdienen. Da ist der 20DM-Schein das, was bei Ihnen der 50DM-Schein ist. Und wenn der Vater abends in die Kneipe geht und sich einen Kümmel, einen Korn, ein Bier und eine Bulette bestellt, dann kann er maximal 20 DM ausgeben, aber nicht 50 DM. Sie haben das nicht zugeschnitten auf die monetäre Situation der Ostdeutschen.‹
      Ich habe auch nicht gewusst, wie viel Geld das ist: Eine Million Mark der DDR sind ungefähr so viel wie ein Zementsack. Und haben auch ungefähr das Gewicht davon. Das ist also unglaublich viel Papier. Wir haben damals rund 25 Milliarden Mark in

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