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Die letzten Monate der DDR: die Regierung de Maizière und ihr Weg zur deutschen Einheit

Die letzten Monate der DDR: die Regierung de Maizière und ihr Weg zur deutschen Einheit

Titel: Die letzten Monate der DDR: die Regierung de Maizière und ihr Weg zur deutschen Einheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ed Stuhler
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Gehälter, Löhne, Stipendien und Renten mit Auffüllbeträgen versehen. Denn eines war klar: Mit der Einführung der Marktwirtschaft fällt das staatliche Subventionswesen für Grundnahrungsmittel, öffentlichen Personennahverkehr, Miete und so weiter weg. Insofern ist dieser Kurs ein politisch richtiger Kurs gewesen.
      Strittig war dann die Frage, wie es mit den Ersparnissen und den sonstigen Dingen war. Da wollte die Bundesregierung einen einheitlichen Grundsockelbetrag von 4000 DDR-Mark gleich 4000 DM, also 1:1.Wir haben dann zäh verhandelt, weil wir sagten, wir wollen, dass die Rentnergeneration bessergestellt wird als die Kinder und Säuglinge. Insofern kam raus, bis zum 16. Lebensjahr 2000 1:1 und die Rentner 6000. Ich habe damals 7500 Briefe bekommen im Ministerrat, alle noch brav mit Eingabe überschrieben. Inhalt etwa: ›Ich bin Jahrgang 1912, ich habe den ersten Weltkrieg erlebt, ich habe die Hyperinflation der 20er Jahre erlebt, ich habe die NS-Zeit erlebt, ich bin ausgebombt, ich habe 1948 eine Abwertung von 10:1 erlebt, und jetzt soll mir das, was ich für mein Alter gespart habe, wieder weggenommen werden?‹
      Ich habe dem Kohl damals gesagt, das ist eine Riesenwählerschar, die wir da verprellen, wenn wir denen also ihr Geld wegnehmen. Das begreift ein Kanzler wie Kohl immer, wenn es um Wählerstimmen geht. Und ich glaube, dass es ein ganz gutes Ergebnis war. Es gab rund 160 Milliarden Mark Ersparnisse der DDR-Bevölkerung, es gab noch mal knapp 20 Milliarden Ansparungsbeträge in den Versicherungen, Lebensversicherung und Ähnlichem. Aus denen sind 120 Milliarden DM Kaufkraft geworden, die ganz überwiegend den westdeutschen Produkten zugutegekommen ist. Wir ha

    Jens Reich, Fraktionsvorsitzender Bündnis 90

    ben Autos zugelassen ohne Ende, auch da habe ich Zahlen: Zu DDR-Zeiten wurden pro Jahr etwa 80000 Fahrzeuge zugelassen. 16 Trecker, Nutzkraftfahrzeuge, Busse, Pkw und so weiter. Wir haben allein im Zeitraum von der Währungsunion bis zum 3. Oktober 450000 Pkw zugelassen!«

    Es fehlt nicht an warnenden Stimmen, die die negativen Folgen einer schnellen Währungsunion 1:1 benennen: Die Bürger der DDR werden nach dem 1. Juli, dem Termin der Währungsumstellung, die Waren kaufen, die sie bisher nicht erlangen konnten, also die Westwaren. Das wird dazu führen, dass die DDR-Betriebe ihre Produkte nicht mehr absetzen können. Darüber hinaus sind die DDR-Betriebe schlagartig dem internationalen Wettbewerb ausgesetzt und dem nicht gewachsen. Der Export in den Ostblock wird einbrechen.
      Der Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90, Oppositionspolitiker Jens Reich, erlebt die Stimmung: »Was einem entgegenbrauste an Ablehnung, wenn man diese Dinge auch nur vortrug – langsam, das

    Lt. Statistischem Jahrbuch der DDR 1990 war die Zahl der jährlich zugelassenen Fahrzeuge ungefähr doppelt so hoch.
    wird schwierig, es werden ganz viele Betriebe kaputtgehen, Arbeitsstellen werden verschwinden, ihr werdet ganz große Arbeitslosigkeit erleben, das geht überhaupt nicht anders, so wie die Struktur ist –, wenn man das sagte, dann gab es die anderen, die sagten, das wird aufgefangen sozial, und dann kriegt man neue Arbeit. So, das waren die Vorstellungen. Und viele dachten auch, ich bin mein ganzes Leben gehemmt gewesen in meinen Entwicklungsmöglichkeiten, ich habe goldene Hände, ich kann ein Auto aus zwei Autos bauen, meine Fähigkeiten müssen doch gefragt sein! Also gerade Arbeiter, die was konnten im klassischen Sinne, sind tief enttäuscht worden, als ihnen dann klar wurde, dass es überhaupt keine Autoproduktion zum Beispiel mehr gab und die Autoreparatur völlig anders läuft, als sie in der DDR gelaufen ist und keiner Handwerker bedarf, sondern Auswechseln und Elektronik und all diese Dinge, wofür sie dann nicht qualifiziert waren.«
      Der erste Vertrag über die Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion muss noch im Bundestag bestätigt werden. Der Bonner SPDBundesvorstand beschließt am 21. Mai, dem Vertrag in der vorliegenden Fassung nicht zuzustimmen, weil eine plötzliche Einführung der D-Mark ohne vorherige Anpassung der DDR-Betriebe katastrophale Folgen haben wird. Diese Ablehnung ist sicher richtig und vernünftig, aber sie steht im offenen Widerspruch zur Haltung ihrer Schwesterpartei im Osten. Und sie wird die SPD bei der bevorstehenden Bundestagswahl im Dezember viele Stimmen kosten.
      OstSPD-Fraktionsvorsitzender Schröder: »Wir waren der Meinung, dass die

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