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Die letzten Monate der DDR: die Regierung de Maizière und ihr Weg zur deutschen Einheit

Die letzten Monate der DDR: die Regierung de Maizière und ihr Weg zur deutschen Einheit

Titel: Die letzten Monate der DDR: die Regierung de Maizière und ihr Weg zur deutschen Einheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ed Stuhler
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Änderungen für notwendig halte. Hierzu legte er seinerseits ein Arbeitspapier mit entsprechenden Textvorschlägen vor. Bereits in dieser ersten Lesung konnten wir uns über eine Reihe von Änderungen verständigen. Das begann schon damit, dass auf Wunsch der DDR-Seite neben den

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    Theo Waigel / Manfred Schell (Hrsg.): Tage, die Deutschland und die Welt
    veränderten, München 1994, S. 76.

    27.4.1990, Berlin, Haus des Ministerrats, Beginn der Verhandlungen über den ersten Staatsvertrag, Günther Krause und Hans Tietmeyer

    Begriffen Währungs- und Wirtschaftsunion auch der Begriff Sozialunion in den Vertragstitel aufgenommen wurde. (…) Die Erörterung der Währungsumstellungssätze und Modalitäten fand allerdings nicht in dieser großen Runde statt. Günther Kraus und ich hatten uns schon vor dieser zweiten Gesprächsrunde darüber verständigt, diese Diskussion (…) nur im kleinsten Kreis der Notenbankvertreter und Staatssekretäre zu führen.«
      »Tietmeyer hat uns vorgerechnet, die Umtauschsache kann nur 1:10 laufen, ganz klar.« Klaus Reichenbach nimmt an dieser Verhandlungsrunde teil: »Und da haben wir gesagt: ›Herr Tietmeyer, überlegen Sie mal, was eine Rentnerin jetzt hier bei uns bekommt. Wenn wir 1:10 umtauschen wollen, wie wollen wir das überhaupt machen?‹ Also wir haben dort in den ersten zwei Sitzungen um die Größenordnungen gewürfelt, bis dann der Bundeskanzler Kohl eindeutig gesagt hat: ›Es wird keine wirtschaftliche Entscheidung, diese Wirtschafts- und Währungsunion, es wird eine politische Entscheidung! Unsere Kriegskassen sind voll!‹«
      Verhandlungsführer Krause: »Also letztendlich war unser Ziel natürlich, den Umtauschsatz möglichst gut zu gestalten. Das ge meinsame Ziel von Ost und West war, durch die Aktion deutsche Einheit die Währungsstabilität nicht zu gefährden; denn die DDRBevölkerung hat ja seit Mitte der 80er Jahre mitbekommen, wie die Ostmark entwertet wurde. Das war nicht bei Brötchen und beim elektrischen Strom zu spüren, das war aber bei normalen Konsumgütern zu spüren. Ein Farbfernseher, wenn ich mich recht entsinne, der hat eben 4000 Ostmark gekostet. Und das gemeinsame Ziel, zu dem wir uns sogar als DDR-Regierung bekannt haben, war, wir stellen keine Forderungen, die die Währungsstabilität insgesamt gefährden, was ja dann auch nicht passiert ist. Wir haben darum gekämpft, dass wir möglichst 1:1 umtauschen. Nicht Helmut Kohl, sondern der leider verstorbene Bundespräsident Rau hat als Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen als Erster gefordert, es muss 1:1 getauscht werden. Dann hat einen Tag später Kohl gesagt: ›Machen wir, 1:1‹. Und dann kamen die Währungshüter und alle anderen Apostel, die ihm gesagt haben: ›1:1 geht überhaupt nicht, lass uns 3:1, möglichst 4:1 die ganze Geschichte machen!‹ Das Verhandlungsergebnis war aus meiner Sicht ein gutes. Wir haben offiziell 2:1 getauscht, aber 90 Prozent des Geldes wurde 1:1 getauscht.«
      Lothar de Maizière ist klar, dass es darauf ankommt, möglichst schnell auf eine Währungsunion zuzusteuern: »Es gingen nach dem Fall der Mauer täglich zwei- bis dreitausend Menschen, und wir mussten irgendwelche Signale für Bleibehoffnung setzen. Wir hörten: ›Kommt die D-Mark, bleiben wir, kommt sie nicht, geh'n wir zu ihr‹. Als wir dann am 18. Mai den Vertrag über die Währungsunion unterschrieben haben, ebbte dieser Exodus wirklich ab, es waren noch zweitausend pro Woche, immer noch zu viel, aber die unmittelbare Drohung des Leerlaufens war gebannt damit. 15

    Hartmut Wendt: Die deutsch-deutschen Wanderungen – Bilanz einer 40jährigen Geschichte von Flucht und Ausreise, in: Deutschland-Archiv, 24 / 1991, S. 386 – 395. Wendt nennt auf der Grundlage von Angaben des Bundesausgleichsamts folgende Übersiedlerzahlen für das erste Halbjahr 1990: Januar 73 729, Februar 63893, März 46241, April 24615, Mai 19217, Juni 10689.
      Der Kurs ist heftig diskutiert worden. Es gibt Leute, die sagen, aus ökonomischen Gründen wäre er falsch gewesen – das mag wohl so sein, aber wir hatten ja keine andere Wahl. Denn zum Beispiel ein Rentner der DDR bekam 270 DDR-Mark. Wenn wir dem die Rente nicht 1:1 umgestellt hätten, wäre er verhungert. Wir mussten ihm sogar noch einen Auffüllbetrag geben. Wir haben also Warenkorbberechnungen angestellt, wie viel braucht eine einzelnstehende Person, wie viel braucht eine Familie mit ein oder zwei Kindern und so weiter, und haben dann untere

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