Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die letzten Monate der DDR: die Regierung de Maizière und ihr Weg zur deutschen Einheit

Die letzten Monate der DDR: die Regierung de Maizière und ihr Weg zur deutschen Einheit

Titel: Die letzten Monate der DDR: die Regierung de Maizière und ihr Weg zur deutschen Einheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ed Stuhler
Vom Netzwerk:
Scheinen umgestellt, also damit war auch eine große logistische Leistung verbunden! In dem jetzigen Außenministerium, dem ehemaligen ZKGebäude, da sind ja noch die berühmten unterirdischen Tresore der ehemaligen Reichsbank, sechs Etagen Tresore, unglaublich, die größ ten Tresore, die es in Europa gibt!
      Und wir haben also in den drei oberen Tresoren die DM gehabt, die verteilt werden musste, und in den drei unteren haben wir die eingesammelte DDR-Mark eingebunkert, bis wir wussten, wo wir damit bleiben, wie man die vernichtet oder nicht vernichtet. Ein Teil ist später in irgendwelchen Thüringer Salzstöcken verbuddelt worden. Dieses Geld musste genauso gut bewacht werden, denn die DDR-Mark konnte ja 14 Tage lang umgetauscht werden. Wir mussten also verhindern, dass die in einen Tauschkreislauf gerät: Sack raus und dann bei der nächsten Gelegenheit gleich noch mal umgetauscht. Das war übrigens die erste gute Zusammenarbeit zwischen Bundeswehr und NVA. Die NVA hat die alte Mark der DDR eingesammelt und verwahrt, und die Bundeswehr hat, zum Teil in Zivil, die D-Mark an die Sparkassen und Banken herangefahren, damit auch die notwendige Menge da war.
      Man hat ja gesagt, dass nur 2000 in bar getauscht werden, alles andere wird über Kontoumstellung gemacht. Die Banken sagten uns, dass die Überweisungen aufgrund der Umstellung der Konten vier Wochen dauern würden. Und ich sagte damals, dass das unmöglich sein könne, wir müssten ja am 15. Juli Gehälter des öffentlichen Dienstes zahlen. Stellen Sie sich vor, die Gehälter des öffentlichen Dienstes wären nicht pünktlich gekommen, die hätten uns wegdemonstriert. Also habe ich die Landräte von 244 Kreisen der DDR und die Bürgermeister von 70 kreisfreien Städten nach Berlin eingeladen in das Finanzministerium, ohne Nennung eines Grundes. Dort haben alle einen Barscheck bekommen. Jedem Haushaltsrechtler würde das die Magengrube umkehren. Lehmann-Grube 18

    Hinrich Lehmann-Grube war Leipziger Oberbürgermeister (1990 – 1998).
    bekam von mir einen Barscheck über sechs Millionen D-Mark, damit er alle Staatsbediensteten und Straßenbahnfahrer in Leipzig bezahlen kann. Aber es sind alle angekommen. Niemand ist verlustig gegangen, auch kein Scheck. Also in solchen Zeiten scheint auch das Glück ein bisschen mitzuspielen. Ohne Fortune wären wir sowieso nicht ausgekommen.«

    Die überwiegende Mehrheit der DDR-Bevölkerung ist sich der volkswirtschaftlichen Risiken nicht bewusst oder will sie nicht sehen. Der 1. Juli wird von den meisten herbeigesehnt wie das Erscheinen des Messias. In der Nacht zum Sonntag um 24.00 Uhr öffnet die Deutsche Bank auf dem Berliner Alexanderplatz ihre Schalter, um die D-Mark auszuzahlen. 10000 Menschen stürmen das Gebäude, es spielen sich tumultartige Szenen ab.
      Für Walter Siegert, Staatssekretär im Finanzministerium, verläuft der Tag eher angenehm: »Die Riesenarbeit war bewältigt, und ich hatte dann das große Vergnügen, mit Theo Waigel, der ja nach Berlin gekommen war, durch verschiedene Sparkassen-Filialen zu wandern, um vor Ort live den Umtausch zu beobachten. Waigel bekam dort jedes Mal einen Blumenstrauß und ein Stück Kuchen und Kaffee. Und die Bürger waren happy, die Sparkassenleute waren happy. Und ich habe mich eigentlich gefreut, dass das, auch das war ja ein wichtiger Teil der Vorbereitung unserer Banken und Sparkassen, so funktionierte, dass wir kaum Probleme hatten. Und insofern war das ein schöner, erfreulicher Tag.
      Aber der harte Alltag, die Sorgen, die die Betriebe ab 2. Juli mehr und mehr hatten, das war natürlich dann die große Ernüchterung, denn es war ja eigentlich schon zu befürchten, dass solche Entwicklungen Platz greifen. Ich glaube, viele, die damals diese Losung ›Kommt die D-Mark nicht zu uns, gehen wir zu ihr!‹ in die Welt geschrien haben, auf Transparente gemalt haben, waren sich nicht darüber im Klaren, was es für Konsequenzen hat, wenn man es kurzfristig regelt, so wie das gefordert wurde. Ob man diesen Leuten einen Vorwurf machen kann, das ist sicher schwer zu beantworten. Es gibt eine bestimmte Spontaneität. Es gibt sehr einfach gestrickte Interessen, die oft nicht zu Ende gedacht werden, wenn man

    1.7.1990, Berlin, Alexanderplatz, Stürmung der Deutschen Bank

    sie politisch formuliert. Ich weiß nicht, welchen Anteil bestimmte Medien hatten, auch diese Losung zu forcieren und hochzuspielen, und wie das auch letztlich in das Kalkül oder in die Wünsche

Weitere Kostenlose Bücher