Die letzten Monate der DDR: die Regierung de Maizière und ihr Weg zur deutschen Einheit
empfunden werden. Seine Versicherung am Anfang, dass wir ganz eng miteinander kooperieren, wurde dann auch, ehrlich gesagt, für mich nachträglich verständlicherweise, so nicht mehr weitergeführt. Genscher hat uns dann einfach nicht mehr informiert.«
Am 16. August, vier Wochen nach dem Kaukasustreffen, zerbricht die Koalition. Auch Markus Meckel tritt zurück. Den Zweiplus-Vier-Vertrag verhandelt Lothar de Maizière bis zum erfolgreichen Ende. Ein enttäuschter Meckel: »Ich muss gestehen, ich wäre gern derjenige gewesen, der die Unterschrift unter den Zweiplus-Vier-Vertrag, den ich nach wie vor für einen der wichtigsten halte, setzt. Ich habe dies zwar verhandelt, dann aber eben nicht mehr die Unterschrift druntersetzen können. Das ist schade, aber so ist Politik.«
Die feierliche Unterzeichnung des Zwei-plus-Vier-Vertrages findet am 12. September in Moskau statt. Für die DDR unterschreibt
12.4.1990, Speisekarte vom Tag der Unterzeichnung des Zwei-plus-Vier- Vertrages; Rückseite mit den Unterschriften (Lothar de Maizière, Roland Dumas, Eduard Schewardnadse, James Baker, Douglas Hurd, Hans-Dietrich Genscher und Michail Gorbatschow)
Lothar de Maizière. Den Füllfederhalter lässt er, an seine Enkel denkend, mitgehen. Seine Skrupel, ob man das denn tun könne, verfliegen, als er, zur Seite schauend, feststellt, dass die anderen fünf Füller schon verschwunden sind.
Das Mittagessen wird im Speisesaal des ZK-Hotels eingenommen. Angesichts der Speisekarte hat der Ministerpräsident eine Idee. Er unterschreibt auf der Rückseite und reicht das Papier an seine Tischnachbarn weiter, die Außenminister der USA, Frankreichs, Englands, der Bundesrepublik Deutschland, der UdSSR und an Gorbatschow. Alle signieren ebenfalls und finden die Idee so gut, dass insgesamt sechs Speisekarten die Runde machen. Die hier abgebildete hängt heute in der Anwaltskanzlei Lothar de Maizières:
»Der glücklichste Moment war für mich die Unterschrift unter den Zwei-plus-Vier-Vertrag am 12. September 1990 in Moskau. Da wurde mir plötzlich klar, dieser Vertrag ist seinem Wesen nach eigentlich der Friedensvertrag mit dem sich einigenden Deutschland, und er versucht, die Geschichte zu beenden, die mit dem Reichs tagsbrand begonnen hat. Das war schon fast ergreifend, dieser Moment, das hat mich in der Minute furchtbar gepackt.
Ich habe nach der Unterzeichnung in Moskau Herrn Genscher gefragt, ob er wüsste, was er da eben getan habe: ›Sie haben soeben die DDR völkerrechtlich anerkannt! Sie haben mit der DDR einen völkerrechtlichen Vertrag unterschrieben, und das können nur Vertragsvölkerrechtsobjekte.‹ Das fand er ganz merkwürdig, aber so war es. Insofern ist die DDR auf ihren letzten Metern doch noch völkerrechtlich von der Bundesrepublik anerkannt worden. Wenn auch indirekt.«
11. Angst vor Großdeutschland
»Sie müssen mich nicht reformieren, ich bin schon Protestant.«
Lothar de Maizière
Ganz anders als in Moskau verläuft der Antrittsbesuch der Regierung de Maizière in Washington. Regierungssprecher Gehler erinnert sich gern an die Herzlichkeit, zum Beispiel bei einem Mittagessen im kleinen Kreis mit George Bush: »Bei Bush, dem Vater von Dabbelju, war es so, dass die Gespräche im kleinen Kreis, aber auch am größeren Tisch, als Baker dabei war, ein echtes Kennenlernen waren. Es ging ganz konzentriert um Zweiplus-Vier. Es war nicht so wie bei den Russen, die uns da irgendwas am Zeug flicken wollten. Es wurde richtig nachgefragt: ›Wie sehen Sie die Zeitabläufe der Vereinigung, wo liegen Ihre größten Probleme damit?‹ Es war eine sehr, sehr gute Atmosphäre, es war aber auch immer wieder deutlich, dass dort jemand war, der die Vereinigung befördern wollte. Das war weder in England so bei Margaret Thatcher noch bei Gorbatschow, der seine großen Schwierigkeiten im eigenen Land hatte und nicht so konnte wie er wollte. Aber die Amerikaner haben uns zu verstehen gegeben, dass sie uns wirklich helfen wollten. Und wir haben uns Gedanken gemacht, ob Ostdeutschland zur NATO gehören soll oder nicht, das war ja ein großes Thema, was könnte man dafür tun, wo könnte der Kompromiss liegen. Diese Punkte wurden wechselseitig auch immer angesprochen, aber in einer sehr guten Atmosphäre und sehr intelligent. Also ich staunte über Bush!«
De Maizière: »Ich habe damals Bush gefragt, ob es nicht eine noble Geste wäre, wenn die USA schon vor der Wiedervereinigung der DDR gegenüber
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