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Die letzten Monate der DDR: die Regierung de Maizière und ihr Weg zur deutschen Einheit

Die letzten Monate der DDR: die Regierung de Maizière und ihr Weg zur deutschen Einheit

Titel: Die letzten Monate der DDR: die Regierung de Maizière und ihr Weg zur deutschen Einheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ed Stuhler
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in der DDR-Ministerpräsidenten zum Befehlsempfang gekommen sind, ist vorbei. Ich bin bereit, mich mit Ihnen zu unterhalten über die Dinge, die gemeinsam interessieren und die wir gemeinsam zu regeln haben, aber Befehle bin ich nicht bereit entgegenzunehmen!‹
      Man konnte quasi sehen, wie er einschnappte, und er fluchte auch ein bisschen los. Heute sind wir ja echte Freunde geworden, aber damals war er offensichtlich schwer erstaunt darüber. Meine Dolmetscherin, die vorher auch mit früheren Ministern dort gewesen war, meinte, sie hätte in dem Moment gedacht, hier kommen wir nicht mehr raus. Ich glaube, es war so die einzige Methode, wie ich mich dort freischwimmen konnte, indem ich klar sagte ›So nicht! Ich stütze mich auf eine Koalitionsregierung, die von 70 Prozent frei gewählter Abgeordneter gestützt würde, und insofern wäre das ein erheblicher Unterschied zu meinen Vorgängern, die eben keine demokratische Legitimierung gehabt hätten.‹ Das, meinte er, ließe er sich von mir nicht unter die Nase reiben und so weiter. Wir haben dann allerdings eine Viertelstunde später schon gemeinsam gelacht über andere Dinge.«
      Markus Meckel beobachtet an seinem Chef eine »ungeheure Nervosität«, und auch die anderen Ressortminister haben keinen leichten Stand. Eppelmann trifft sich mit Verteidigungsminister Jasow 21 , der just an dem Tag zum Marschall befördert worden war: »Der begrüßte mich noch in seiner alten Uniform, die neuen Epauletten hat er noch nicht gehabt, die waren noch nicht fertig, und betrachtete mich mit tiefem Misstrauen. Es war nun auch das erste Mal, ein verbündeter Minister, der keine Uniform anhatte. Und ich unterstelle mal, bei dem, was es da nun an revolutionären Veränderungen in den gerade zurückliegenden Wochen in der DDR gegeben hatte, hat er sich also auch ein bisschen mit meiner Biographie befasst und wusste also nun wenigstens so ein paar Daten,

    Dmitri Timofejewitsch Jasow (Jg. 1924), war letzter Verteidigungsminister der UdSSR.
    was da für ein Mann vor ihm steht. Da war Misstrauen, tiefes Misstrauen.«
      Wirtschaftsminister Gerhard Pohl: »Ich hatte natürlich das schwerste Amt, das sage ich mal ganz deutlich! Ich bin von denen beschossen worden. Die haben in imperialer Manier noch mit uns gesprochen. Sie schwankten zwischen ihrer bisherigen Behandlung der DDR-Regierung, nämlich als Satrapen, und der Überlegung, ob sie nicht überhaupt lieber gleich mit Bonn reden sollten. De Maizière hatte immer große Mühe kundzutun, wir sind die frei gewählte Regierung, wir sind absolut souverän, wir haben ein Versprechen gegenüber der DDR-Bevölkerung einzulösen und so weiter. So in dieser Richtung habe ich dann auch argumentiert, wobei ich selbstverständlich der sowjetischen Seite den Rückhalt gegeben habe, dass das früher geschlossene Warenabkommen eingehalten wird.«
      »Bei dem Gespräch mit Gorbatschow«, so de Maizière, »spielten viele Dinge eine Rolle, Artikel 23 wurde verneint, immer wieder, auch in allen Gesprächen, die Markus Meckel mit Schewardnadse dazu führte. Die sowjetischen Maßnahmen der Nachkriegszeit stehen nicht zur Disposition, und zwar sowohl die Tribunale als auch die Deportationen als auch die Beutekunstgeschichte als auch die Enteignung IG Farben und die Bodenreform und so weiter.«

    Für die Sowjetunion ist zu diesem Zeitpunkt die Bündniszugehörigkeit die zentrale Frage. Ein Austritt aus dem Warschauer Pakt, dem Verteidigungsbündnis der Ostblockstaaten, scheint, zumindest nach außen hin, völlig unmöglich. Gorbatschows deutschlandpolitischer Berater Valentin Falin hat die Vorstellung, dass das geeinte Deutschland Mitglied des Warschauer Vertrages wird. Das größte Entgegenkommen würde darin bestehen, die DDR zu entlassen, aber nur unter der Bedingung, dass auch die Bundesrepublik die NATO verlässt und ein neutrales Deutschland entsteht. Dem will und kann Helmut Kohl unter keinen Umständen zustimmen.
      Gorbatschows Haltung zu dieser brisanten Frage wird sich in den Folgemonaten ändern. Schon auf dem Gipfeltreffen mit USA Präsident George Bush kommt Bewegung in die Sache. Gorbatschow widerspricht seinem Gastgeber nicht mehr, als dieser sagt, dass das vereinte Deutschland Mitglied der NATO sein werde. Zum Abschluss redet er etwas blumig über eine gleichzeitige Lösung der inneren und äußeren Aspekte der deutschen Einheit.
      Doch Gorbatschows Position im eigenen Lande wird zusehends schwächer. Werner Ablaß,

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