Die letzten Monate der DDR: die Regierung de Maizière und ihr Weg zur deutschen Einheit
entlassen, was wir auch bis zuletzt durchgehalten haben, zumindest so lange, wie ich Minister gewesen bin. Und das hat die Offiziere überzeugt und beruhigt.«
Verteidigungsstaatssekretär Werner Ablaß arbeitet heute noch in Strausberg. Sein Arbeitszimmer ist die Suite der ehemaligen Oberkommandierenden des Warschauer Paktes mit den Originalmöbeln und Stofftapeten: »Also uns war klar, Teile der NVA werden übernommen. Ich habe an eine höhere Anzahl gedacht, so bin ich auch in die Verhandlungen gegangen, das gebe ich gern zu. Aber dadurch, dass sich Lothar de Maizière dann als amtierender Außenminister zusammen mit Genscher in Wien festgelegt hat, war schlicht und einfach klar, die Bundeswehr muss reduzieren, die NVA muss reduzieren . Und statt der angedachten 30000 Berufs- und Zeitsoldaten wurden es dann deutlich weniger. Es gibt da ja immer wieder Vorwürfe deshalb. Aber, das muss ich sagen, die DDR ist der Bundesrepublik beigetreten und nicht umgekehrt!«
»Mir hat so manch einer gesagt: ›Meine Güte, wieso musstest du als Pfarrer auch noch Minister werden?‹ Ich hatte ja bewusst Abrüstungs - und Verteidigungsminister gewählt. Ich antwortete: ›Wer soll das denn sonst machen? Ein General? Ein General von der NATO oder etwa ein General von der Volksarmee? Wer denn sonst?‹ Ich finde, etwas Besseres konnte dieser Armee gar nicht passieren, als dass ein Pazifist Verteidigungsminister wird. Sämtliche Verteidigungsminister auf dieser Erde müssten eine Grundbedingung erfüllen, sie müssten alle nachweisbar überzeugte Pazifisten sein! Ich glaube, unsere Politik würde ein bisschen anders aussehen.«
Ablaß: »Mit der Person Eppelmann waren viele Hoffnungen verbunden: Da kommt ein Pfarrer, der ist ja eigentlich auch schon zur Mitmenschlichkeit verpflichtet. Und er hat ja in seiner ersten Rede auf der Kommandeurstagung am 2. Mai den versammelten
450 Kommandeuren versprochen, es wird sozial verträglich ablaufen. Hat natürlich auch den Fehler gemacht und gesagt, es würde nach der deutschen Einheit in diesem Teil Deutschlands eine zweite deutsche Armee geben. Da haben sich viele dran geklammert. Da hat er sich dann etwas spät korrigiert, das war dann auf der zweiten Kommandeurstagung im September.«
Der Verteidigungsminister erinnert sich an diese zweite Tagung: »Die war von der Stimmung her schlechter, und zwar, weil ein Teil
28.5.1990, Strausberg, Rainer Eppelmann empfängt Bundesverteidigungs minister Gerhard Stoltenberg (r.)
der Hoffnungen, die ich gehabt habe, sich in den Verhandlungen mit der Bundesregierung nicht haben umsetzen lassen. Was die Zahl der übernommenen Offiziere angeht, sind das nachher rund 2000 weniger gewesen als wir zu Anfang gehofft hatten und was mir am Anfang auch Stoltenberg in Aussicht gestellt hat. Aber Stoltenberg war kein Kämpfer. Und seine Position im Verhältnis zu Hans-Dietrich Genscher war eindeutig schwächer im Kabinett.«
»An und für sich ist es bei der NVA relativ gesittet zugegangen«, resümiert Lothar de Maizière. »Ich glaube, das liegt daran, dass einfach Militärs Disziplin gewohnt sind und wissen, wann was zu geschehen hat. Ob wir da nicht manchen entfernt haben, der vielleicht besser dabei geblieben wäre, das mag dahingestellt sein. Nach außen hin hat sich die Vereinigung der Bundeswehr und der NVA fast am geräuschlosesten, am besten vollzogen.«
In der DDR gibt es Unmengen von Waffen. Das betrifft nicht nur die Ausrüstung der NVA, sondern auch die Waffen des Innenministeriums, der Staatssicherheit und der Kampfgruppen. Diese werden bei der NVA eingelagert, die bis zum Schluss Bewachungssicherheit dieses Riesenarsenals gewährleistet. Eine vorläufige Aufstellung wird angefertigt; die genauen Zahlen werden jedoch nie bekannt. Ablaß: »Das hat keiner gezählt und geordnet.«
»Ganz am Anfang hatte ich die Aufgabe gestellt, einmal zu erfassen, was an Bewaffnung überhaupt da ist«, berichtet Innenminister Peter-Michael Diestel. »In meiner Amtszeit wurden auch die ZKMitglieder und die Mitglieder des Politbüros entwaffnet, die ja teilweise mehrere Waffen hatten! In der Regel ohne Waffenbesitzkarten oder waffenrechtlich registriert, sondern das waren Geschenke, Präsente, Jagdwaffen, die sie irgendwo erworben hatten.
Die höchsten bewaffneten Strukturen im Bereich des Innenministeriums waren panzerbrechende Waffen, Panzer, Panzerspähwagen, schwere MGs, leichte MGs und so weiter. Das sind alles Bewaffnungen,
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