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Die letzten Monate der DDR: die Regierung de Maizière und ihr Weg zur deutschen Einheit

Die letzten Monate der DDR: die Regierung de Maizière und ihr Weg zur deutschen Einheit

Titel: Die letzten Monate der DDR: die Regierung de Maizière und ihr Weg zur deutschen Einheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ed Stuhler
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vernichtet worden sind, dann sind diese Akten rechtswidrig vernichtet worden. Es geistern sehr viele Dinge herum, Diestel hätte Aktenvernichtung veranlasst und so weiter. Da wird ein einziges, untaugliches Beispiel immer wieder zitiert, nämlich die Akten der Abteilung 15 der Leipziger Bezirksverwaltung der Staatssicherheit.
      Dazu muss ich Folgendes sagen: Der Zentrale Runde Tisch hat Festlegungen getroffen, über eine Arbeitsgruppe von drei Experten, wie die Akten der HVA verwendet und verwertet werden sollen. Und von dieser Arbeitsgruppe des Zentralen Runden Tisches wurde festgelegt, dass diese Akten vernichtet werden – ob das richtig ist oder nicht, habe ich nicht zu befinden, damals war ich nicht im Amt –, weil diese Akten möglicherweise zur Enttarnung von DDRSpionen im Ausland führen könnten, die dann letztendlich strafrechtlichen Konsequenzen entgegensehen müssten, bis hin zur Todesstrafe in den Ländern, in denen Todesstrafe denkbar ist.
      Und alle diese Akten wurden aus der Zentrale wegtransportiert, vernichtet und aus den Bezirksverwaltungen ebenfalls. Nur in Leipzig war dieser Prozess noch nicht abgeschlossen, dort haben die Bürgerrechtler sich geweigert, diese Unterlagen herauszugeben. Da ich aber als Innenminister die Aufgabe hatte, die Ordnungsgemäßheit dieses Prozesses, den der Zentrale Runde Tisch uns vorgegeben

    Hauptverwaltung Aufklärung, Auslandsspionagedienst des MfS.
    hatte, zu begleiten, habe ich mit einem Schreiben das Leipziger Bürgerkomitee angewiesen – wie es auch in den anderen 14 Bezirken vor meiner Zeit geschehen war - , diese Akten nach Berlin zu transportieren. Und dieser Prozess, dieser Aktentransport von Leipzig nach Berlin wäre, wenn er stattgefunden hätte, in meiner Amtszeit durchgeführt worden. Er ist aber nie durchgeführt worden, so dass ich sagen kann, dass in meiner Amtszeit den mir unterstellten Behörden nie eine Aktenvernichtung nachgewiesen werden konnte. Nun habe ich einige hunderttausend Menschen in meiner Verantwortung gehabt, und wenn Sie hunderttausend Menschen auf einem Fleck haben, dann gibt es mal einen, der etwas falsch macht. Dann gibt es mal einen, der eine Körperverletzung begeht, dann gibt es mal einen, der ein Verkehrsdelikt begeht, dann gibt es mal einen, der auch rechtswidrig Akten vernichtet. Das war aber von der De-Maizière-Regierung in überhaupt gar keinem Fall, auch in keinem Einzelfall, beabsichtigt oder angewiesen. Wo wir Kenntnis bekamen, wurden Strafanzeigen erstattet, und die zuständige Staatsanwaltschaft hat dann ermittelt, wie mir das bekannt wurde und wie ich es in Erinnerung habe. In einem bestimmten Fall wurden gegen zwei Mitarbeiter eines großen Hamburger Nachrichtenmagazins, das immer montags erscheint, Ermittlungen eingeleitet, weil die Akten in der Normannenstraße gekauft hatten. Aber auch diese Akten wurden nicht von Mitarbeitern des MdI gekauft, sondern von Vertretern eines Bürgerkomitees.«
      »Zu einem bestimmten Zeitpunkt hatte Minister Diestel darunter zu leiden, dass ihm die Volkskammer ungenügende Konsequenz vorgeworfen hat«, erinnert sich Diestels Staatssekretär. »Es lag also nahe, eine andere Lösung zu finden, die de Maizière auch gefunden hat, und ich hatte dann in den letzten Tagen die Freude, mich da noch persönlich drum zu kümmern.«
      Am 14. September entzieht Lothar de Maizière Diestel die Zuständigkeit für die Auflösung des ehemaligen MfS und überträgt Staatssekretär Stief diese Aufgabe. Nach drei Tagen korrigiert er allerdings diese Entscheidung und verkündet, dass Diestel weiterhin für diese Aufgabe zuständig ist.
    Am 28. September findet im ehemaligen Gebäude des ZK der SED die letzte reguläre Sitzung der Volkskammer vor der Vereinigung statt. Die Liste der stasibelasteten Abgeordneten und Regierungsmitglieder liegt endlich vor und soll verlesen werden.
      »Ich kann mich erinnern, dass es uns nicht gelungen ist, diese ganze Sache Stasi in der Volkskammer eher abzuarbeiten«, so Klaus Reichenbach. »Das war ein großer Nachteil, dass es uns erst gelungen ist, zur letzten Sitzung der Volkskammer bekanntzugeben, wer Stasi ist und wer nicht. Das war vielleicht zu dem Zeitpunkt eine unglückliche Geschichte. Ob man es dann hätte überhaupt noch machen sollen, da bin ich langsam, aber sicher im Zweifel. Aber es gab natürlich eine unheimliche Menge Verdächtigungen. Ich kann mich erinnern, selbst Diestel hat mich und Krause mal angegriffen, wir hätten auch

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