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Die letzten Städte der Erde

Die letzten Städte der Erde

Titel: Die letzten Städte der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.J. Cherryh
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Gewohnheiten folgend, schnallte den Gürtel ab und hängte ihn an den Bettpfosten auf seiner Seite, zog die Stiefel aus und krabbelte unter die kalten, schweren Bettdecken. Ilja deckte ihn fest zu, nachdem er sich hingelegt hatte, wie es früher Katja jede Nacht getan hatte, wozu sie jedesmal die Leiter heraufgestiegen war; und er täuschte vor, rasch einzuschlafen. Ilja blieb für einen Moment stehen, ging dann über die knarrenden Bretter herum um das Bett und legte sich auf der anderen Seite hinein.
    Das Bett war wie Eis. Das blieb es auch, aber Andreij zitterte nicht. Er lag reglos da und lauschte dem Wind und den Schritten draußen vor der Tür unten, leise tapsende Schritte, die keine Spuren auf dem Schnee hinterlassen würden. Lauschte auch dem Wehen der Schneeflocken vom Firstbalken herunter und wie diese Flocken auf die Verwehungen fielen. Balken knackten wie Donnerschläge, und er fuhr jeweils auf und lag dann wieder still.
    Schließlich konnte er keinen Widerstand mehr leisten und regte sich, streckte einen Fuß in die kalte Luft und zum Boden aus. »Andreij«, sagte Ilja sofort, drehte sich um und erhob sich auf einen Ellbogen, streckte die Hand aus und packte seine Schulter. »Alles in Ordnung mit dir, Andreij?«
    Er legte sich zurück. »Laß mich gehen!« sagte er bittend. »Ilja, der Wolf ist da draußen. Er wird immer dort sein.«
    »Ruhig. Sei still!« Und als Andreij sich bewegte, sich kaum dessen bewußt, daß er sich aufzurichten versuchte, hielt Ilja ihn fest. »Er wartet«, protestierte er. »Er wartet auf mich, Ilja, und die Kälte wird sich ausbreiten, auch andere befallen. Das weißt du.«
    »Still!« Ilja rollte sich schweigend aus dem Bett, kam herum und setzte sich auf seiner Seite auf die Kante. »Ich werde keinen Schlaf finden«, meinte er. »Ich werde nie wissen, ob du in deinem nicht herumwanderst. Wie soll ich Schlaf finden, Andreij? Ich habe Anna versprochen, auf dich achtzugeben.«
    Andreij wollte nichts davon hören, aber es drang doch durch die Taubheit, die von ihm Besitz ergriffen hatte. »Du solltest mich gehen lassen«, sagte er. »Ich werde auch gehen – morgen oder übermorgen. Er wird nie weit sein, sondern direkt vor der Tür. Umnik und mich – er wird uns kriegen.«
    »Still!« Ilja band den Gürtel um sein Handgelenk und befestigte ihn am Bettpfosten. Er duldete es, denn es war schließlich Ilja, und er wußte, wie sehr Ilja sich grämte. Und es war nicht in Ordnung, daß Ilja sich solche Sorgen machte. Ilja gab sich große Mühe, auch mit der anderen Hand, saß da und fuhr ihm durchs Haar, eine freundliche Bewegung. »Schlaf jetzt«, sagte Ilja. »Schlaf jetzt! Du wirst in deinen Träumen nicht umherwandern. Du bist in Sicherheit.«
    Andreij schloß die Augen und dachte, daß der Tag kommen würde und auch noch weitere Nächte, und sobald er die Augen geschlossen hatte, war der Wolf da, nicht weniger deutlich als vorher auch schon, mit Augen wie die Sonne, ein weißer Wolf in blauer Nacht, unsichtbar auf der dichten Schneedecke des Hofes. Die Pferde wieherten leise und beunruhigt. Die Ziegen meckerten – aber sie hatten keinen Grund zur Angst. Sie waren sicher in ihrem warmen Stall, wo die Kälte nie eindringen würde... – und es war die Kälte, die wartete.
    Er spürte, wie sich Ilja zurückzog, hörte das Knarren der Bretter, wie die Tür aufging und Ilja die Leiter hinabstieg. Er empfand etwas Kummer und zerrte an den Fesseln, um sich zu befreien, aber Iljas Knoten saßen gut, und die Vision saugte ihn wieder auf, die blaue Nacht, der bleiche Schnee. Irgendwo hörte er sehr leise Geräusche, und er träumte davon, wie sich der Wolf entfernte und dann wachsam draußen am Zaun stand. Und weitere waren dort, weiß und abgezehrt vor Hunger. Eine Vision befiel ihn, wie sich die Haustür leise in der Dunkelheit öffnete und eine Gestalt in seinen Fellen zu sehen war, die seinen Bogen trug und seine Pfeile. Umnik wieherte leise und kam von selbst aus dem Stall, und seine Ohren waren steil aufgerichtet und seine Augen erfüllt mit den treibenden Vorhängen aus Licht, die über den blauen Himmel hinwegsprangen und -tanzten und -strömten... Die Morgenröte, ungewöhnlich hell und seltsam. Das Pferd kam herbei und beschnupperte seine ausgestreckte Hand, und sie beide standen beisammen, Mann und Pony, unter dem strahlenden Glanz des Himmels. Zögernd blickte der Mann auf, wandte sein Gesicht dem Licht zu, und es war Ilja, dessen zornige Augen eine leichte, schon

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