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Die letzten Tage

Die letzten Tage

Titel: Die letzten Tage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dana Kilborne
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zusammengefasst. Ein paar einzelne Strähnen hatten sich daraus gelöst und umrahmten das schmale, asketische Gesicht mit den hohen Wangenknochen. Und seine Augen, die jetzt tiefblau leuchteten wie der Himmel über Rom an einem herrlichen Sommertag, ließen Grazia alles vergessen, was sie eigentlich hatte sagen wollen. Er war ihr jetzt so nah, dass sie glaubte, das Klopfen seines Herzens hören zu können – oder war es doch ihr eigenes? Sie spürte die Wärme, die von seinem Körper ausging, und nahm den würzigen Duft von Sandelholz wahr, der ihn umgab. Ihre Knie wurden weich, sie …
    „Hör auf damit!“, fuhr sie ihn an. „Sofort! Ich bin nicht hergekommen, um mich schon wieder von dir manipulieren zu lassen, verstanden? Ich will jetzt endlich wissen, was hier gespielt wird! Wer bist du? Und was war das für ein … Ding vorhin in meiner Wohnung?“
    Seine Lippen verzogen sich zu einem spöttischen Lächeln. „Das war nur ein Dämon niederen Ranges, der von seinem Meister geschickt wurde, um dich zu ihm zu bringen. Ein Glück, dass ich rechtzeitig aufgetaucht bin, sonst hätte es wirklich ungemütlich für dich werden können.“
    Fassungslos starrte sie ihn an. Wovon sprach er da eigentlich? Sicher, sie hatte dieses Ungetüm mit eigenen Augen gesehen, trotzdem weigerte sich ihr Verstand nach wie vor, die Tatsachen zu akzeptieren. Sich einzugestehen, dass dieser Dämon wirklich existiert hatte, dass er nicht nur ein Produkt ihrer überreizten Fantasie gewesen war, bedeutete, Tür und Tor zu öffnen für all die namenlosen Schrecken aus den Albträumen ihrer Kindheit.
    Doch im Grunde ihres Herzens wusste sie längst, dass es stimmte. Sie hatte es bereits gewusst, als sie Zack zum ersten Mal begegnet war.
    Sie schluckte. „Okay, gehen wir mal davon aus, dass es wirklich so war – was sollte dieser Dämon oder sein Meister von mir wollen? Und was hast du mit der ganzen Sache zu tun? Wer bist du? Was bist du?“
    „Du hast etwas, das die wollen“, antwortete Zack, ohne auch nur die kleinste Gemütsregung zu zeigen. „Etwas, das auch ich will.“
    Grazia spürte, wie Wut in ihr hochkochte. „So ist das also! Für dich und diese … diese anderen bin ich nichts weiter als ein Spielball, oder was?“ Sie atmete tief durch. „Okay, nehmen wir mal an, ich gebe dir, was du von mir haben willst – verschwindest du dann für immer und ewig aus meinem Leben und nimmst deine hässlichen kleinen Freunde mit?“
    „Ich fürchte, ganz so einfach ist das nicht“, entgegnete er schlicht. „Das Problem ist, dass wir erst noch herausfinden müssen, was du besitzt, das sowohl für mich als auch für die andere Seite von Interesse sein könnte.“
    „Woher willst du dann wissen, dass es um mich geht?“
    Schlagartig wurde seine Miene ernst. „Ich weiß es, weil ich dich in meinen Träumen gesehen habe …“
    In diesem Moment erklang das hohe Lachen einer Frau ganz in der Nähe. Zack ergriff ihre Hand und zog Grazia mit sich in den Schatten zwischen einem Baum und der Wand der Treppe. Sie geriet ins Stolpern, landete mit einem erstickten Schrei in seinen Armen und spürte im nächsten Augenblick, wie der Boden unter ihren Füßen zu schwanken begann.
    Grazia hatte das Gefühl, in einen bodenlosen Abgrund zu stürzen. Um sie herum war nur Schwärze. Sie fiel und fiel. Und dann war es ebenso plötzlich vorbei, wie es begonnen hatte.
    Sie schien über einer grünen Landschaft zu schweben, sah weite Wälder und Wiesen und einen schnell dahinfließenden Gebirgsbach. In einiger Entfernung gab es eine kleine Siedlung mit kleinen, dicht an dicht gedrängten Häusern. Aus den Schornsteinen stieg dunkelgrauer Qualm in den blauen Himmel empor.
    Am Ufer des Baches standen, Hand in Hand, ein Mann und eine junge Frau. Ihre Kleidung aus schäbig wirkendem braunem Sackleinen erinnerte Grazia an die Mittelalterfilme, die sie früher so gern gesehen hatte. Die Frau hielt ein Baby auf ihrem Arm. Verliebt schaute sie zu dem Mann auf, der jetzt den Kopf so wandte, dass Grazia sein Gesicht sehen konnte.
    Es war Zack.
    In diesem Moment wurde sie von einem Strudel ergriffen, der sie zurück in die Dunkelheit riss. Als sie kurze Zeit später wieder daraus auftauchte, hatte sich die Szene vollkommen verändert.
    Der Himmel besaß die Farbe von geschmolzenem Blei, und die Sonne war von dichten grauen Wolken verhangen. Auf dem Dorfplatz hatte sich eine Horde Menschen zusammengerottet, von denen einige Heugabeln, andere Pechfackeln trugen, die

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