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Die letzten Tage von Hongkong

Die letzten Tage von Hongkong

Titel: Die letzten Tage von Hongkong Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Burdett
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DIN-A4-Blatt schrieb er: Chinesische Intuition. Er fügte hinzu: Du warst eine zu gute Polizistin, um es nicht zu wissen. Es dauerte nur Sekunden, bis die Botschaft in Amerika war.
     
    Im Büro holte Chan sein Sony-Diktaphon heraus und ging damit auf und ab. Aston sah und hörte ihm zu.
    Akte 128/mgk/MK/STC Fortsetzung des Berichts.
    Ich muß leider zu dem Schluß kommen, daß die oben beschriebene, übereilte Aktion der SAS-Offiziere es schwierig, wenn nicht sogar unmöglich gemacht hat, die Ermittlungen über ein komplexes Geflecht krimineller Beziehungen internationalen Ausmaßes fortzuführen, die fast mit hundertprozentiger Sicherheit mit der Entdeckung von atomwaffenfähigem Uran in Mirs Bay in Verbindung stehen (vgl. separater Eintrag A).
     
    Er hielt es nicht mehr aus, daß Aston ihn so traurig anschaute.
     
    »Sie haben sie doch nicht umgebracht, oder, Chief?«
    »Nein.«
    »Wer dann?«
    »Das ist geheim.«
     
    An seinem Schreibtisch im Queen’s Building machte Jonathan Wong eine neue schwarze Fiberglasaktentasche mit Kombinationsschloß auf. Er drehte so lange, bis drei Achten erschienen, und ließ das Schloß dann aufschnappen. Drei Achten waren vielleicht keine Garantie für Sicherheit, aber immerhin war die Acht für Kantonesen eine Glückszahl.
    Aus der Tasche holte er einen Umschlag mit vierundvierzig Farbfotos; vierundvierzig bedeutet für Kantonesen doppelten Tod. Jedes Bild hatte die Maße zwanzig mal fünfundzwanzig Zentimeter, bei allen handelte es sich um Nahaufnahmen. Nachdem er einige von ihnen voller Ekel angeschaut hatte, steckte er sie wieder in den Umschlag. Auf einen Zettel, auf dem sein Name und der Name seiner Kanzlei standen, schrieb er: »Mr. Chow, bitte seien Sie so freundlich, mich vom Erhalt dieses Päckchens zu informieren.« Er steckte den Zettel in den Umschlag und verschloß ihn wieder.
    Dann bat er seine Sekretärin telefonisch, alles für den Versand mit Federal Express bereitzumachen. Wong füllte den Frachtbrief aus und gab als Bestimmungsort des Päckchens mit den Fotos an:
    »Stocklaw Trading Company, 220 West 57th Street, New York, NY 10019, Streng vertraulich, nur zu Händen von Mr. Daniel Chow, Präsident.« Nachdem Wong den Umschlag in die Kartonagenverpackung von FedEx gesteckt hatte, überreichte er ihn der Sekretärin, die ihn hinausbrachte. Es war elf Uhr morgens; das hieß, daß das Päckchen noch den Nachmittagsflug nach New York erreichen und innerhalb von drei Werktagen dort ankommen würde.

FÜNFUNDFÜNFZIG
    Chan teilte seine ungelösten Fälle in zwei Gruppen ein: erstens die, in denen der Täter unbekannt war und er keine Hinweise hatte, und zweitens die, in denen er wußte, wer der Täter war, es ihm aber nicht nachweisen konnte. Im zweiten Fall war es seiner Meinung nach ein Fehler, wenn der Täter den Ermittler bis zu dem Punkt reizte, an dem er bei ungesetzlichen Mitteln Zuflucht suchte. Emily war von demjenigen umgebracht worden, der ihm die Sache angehängt hatte. Würde Xian einen Gürtel von Chanel verwenden?
    Zwei Abende lang wartete Chan hinter einem Banyan-Baum bei der Auffahrt zu den Beauchamp Villas, die Dienstwaffe im Armholster, darauf, daß der grüne Jaguar sich auf den Weg machte. Am dritten Abend brauste der Diplomat dann wie üblich mit überhöhter Geschwindigkeit davon. Er trug eine Smokingjacke und eine schwarze Fliege. Das Schiebedach des Jaguar war offen; Chan hörte die Gregorianischen Gesänge in der Ferne verhallen. Dann löste er sich aus den Schatten des Baumes und ging die Auffahrt hinauf. Es herrschte drückende Schwüle. Am Ende der Auffahrt war er völlig verschwitzt und außer Atem, und das nicht nur von der Hitze. Bekamen alle Menschen vor ihrem ersten ernsthaften Verbrechen Magenkrämpfe?
    Er verschaffte sich mit einer Ausweiskarte Zugang zu dem Haus. Im fünften Stock holte er dünne Baumwollhandschuhe aus der Tasche und zog sie an; seine Hände zitterten, als er das eine Schloß mit dem Dietrich und das andere mit einer Kreditkarte öffnete. Ich breche gerade zum erstenmal in meiner Laufbahn ein.
    Abgesehen von dem gedämpften Licht, das von den Straßenlaternen hereindrang, war es dunkel in der Wohnung und leer. Chan schloß die Tür hinter sich und atmete die köstlich kühle klimatisierte Luft ein. Der Schweiß trocknete auf seinem Gesicht und seinen Armen. Der Luxus der Geräumigkeit beruhigte seine Nerven ein wenig. Er holte eine kleine Taschenlampe heraus. Zwar hatte er zu zittern aufgehört, aber er war

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