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Die letzten Tage von Hongkong

Die letzten Tage von Hongkong

Titel: Die letzten Tage von Hongkong Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Burdett
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abgesehen von seinem Charme und seinem guten Aussehen: Die Frauen mochten seinen Humor. Und es war auch ein Beweis für ein gewisses Maß an Mut, daß er in diesem Stadium der Krankheit noch scherzen konnte.
    »Du warst schnell und trickreich – schlimmer als jeder Mann – das haben alle gesagt.« Er hielt ihr die Hand hin. Es war kaum zu glauben, wieviel Kraft ihn diese kleine Bewegung zu kosten schien.
    »Ich bin viel langsamer geworden.«
    Coletti schüttelte den Kopf. »Das glaube ich dir nicht. Wenn ich nur ein bißchen Verstand gehabt hätte, hätte ich dich nie gehen lassen.«
    »Fang nicht davon an.«
    »Du hast recht gehabt, und ich war im Unrecht. Die Mafia …«
    Er tat so, als wolle er ausspucken.
    Sie nickte. »Ich verstehe. Ich finde es nicht gut, aber ich verstehe es. Ich bin keine Zwanzig mehr; jetzt weiß ich, wie manchen Leuten gewisse Dinge passieren. Wahrscheinlich konntest du nicht anders, als so ein Italiener zu werden.«
    Coletti schüttelte den Kopf. Er redete quälend langsam. »Versuch nicht, mir Honig ums Maul zu schmieren. Ich habe die Wahl gehabt, wie alle anderen auch. Weißt du was, als ich fünfundzwanzig war, ist mein Onkel im Krankenhaus gewesen. Die haben ihn ganz altmodisch vor seinem Lieblingsrestaurant in der Perry Street niedergeschossen. Hätte ein Film sein können, so kitschig war die ganze Angelegenheit. Als ich auf dem Stuhl neben seinem Bett saß, habe ich ihm gesagt, daß ich zur Mafia gehen würde. Ich habe gesagt, weil ich ihn rächen wollte, aber eigentlich habe ich den machismo gebraucht. Er hat auf einen Rosenstrauß gedeutet, den sie ihm in einer Vase geschickt hatten, und gesagt: ›Das, was du sagst, ist wie diese Rose hier. Sie ist wunderschön, aber sie kann auch dafür sorgen, daß du blutest.‹«
    Moira sah sich in dem Raum um. Ja, an einer Wand standen Blumen, auch Rosen. Sie seufzte. »Mario, Schatz, ich glaube, ich habe dir nie gesagt, warum ich was gegen die Mafia hatte.«
    »Sie ist schlecht. Du warst nur eine gute Katholikin. Du hast recht gehabt.«
    »Nein, ich war nur selbstgerecht – das ist ein alter irischer Trick. Was ich eigentlich nicht ausstehen konnte, waren die Mafiafrauen. Mein Gott, haben die mich gelangweilt. Weißt du, als dein Ururgroßonkel damals seinen Onkel im Krankenhaus daheim in Palma di Montichiero besucht hat, als die Männer noch richtige Männer waren, da hat sein Onkel ihm auch die Geschichte mit der Rose erzählt. Die steht sogar in den Büchern. Sie ist alt.«
    Das ausgezehrte Gesicht verzog sich zu einem Kichern. »Du kannst immer noch ganz schön brutal sein.« Mit Mühe drehte er sich ein wenig, um ihr in die Augen sehen zu können. »Weißt du was, der Trick mit den falschen zahnmedizinischen Unterlagen hat geklappt. Jetzt kann ich in Frieden sterben. Erzähl keiner Menschenseele was davon, sonst springt ihr beide über die Klinge.«
    Er sank erschöpft in die Kissen zurück, ein zufriedenes Lächeln auf den Lippen. Moira mußte schlucken.
    »Das ist ja toll, Mario. Willst du mir nicht die Einzelheiten erzählen? Du weißt doch, daß eine alte Polizistin wie ich gern was über die Beweise hört. Außerdem hab’ ich nicht gern den Kurier gespielt, weißt du. Wenn sie mich nicht am Telefon angefleht hätte, genau das zu machen, was du mir sagst …«
    Er nickte. »Ich weiß. Deswegen habe ich einen meiner Partner gebeten, heute hierherzukommen. Er müßte jetzt eigentlich da sein. Mach mal die Tür auf. Er hat gesagt, er wartet, bis ich ihn rufe.«
    Moira ging zur Tür. Der Chinese, der auf der Bank draußen saß, stand auf und streckte ihr die Hand hin.
    »Erfreut, Sie kennenzulernen, Mrs. Coletti.« Er sprach mit New Yorker Akzent. Wenn sie die Augen zumachte, hätte er gut und gerne ein Italo-Amerikaner oder ein New Yorker Jude sein können.
    Sie schüttelte seine Hand ohne rechte Begeisterung. Er war kleiner als sie selbst, vielleicht einsfünfundsechzig, und trug einen grell-blauen Anzug italienischen Schnitts. Er war fast genauso breit wie hoch und hatte ein vorstehendes Kinn. Bei seiner Größe wirkte sein unerschütterlich zur Schau getragenes Selbstvertrauen schon fast absurd. Nur die Augen sagten etwas anderes; sie sahen aus wie die eines Reptils. Mario winkte die beiden herein.
    »Moira, darf ich dir Danny Chow, den wirklichen capo di tutti capi, vorstellen.«
    Chow schloß die Augen halb. »Bitte.«
    »Er ist einer der mächtigsten Männer in der westlichen Welt. Kopf der I4K-Triaden, weltweit. Aber bitte

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