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Die letzten Tage von Hongkong

Die letzten Tage von Hongkong

Titel: Die letzten Tage von Hongkong Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Burdett
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sich noch immer der Schizophrenie der Situation bewußt: Er war ein Polizist, der gerade in die Wohnung eines anderen einbrach.
    Er hat mir die Sache angehängt.
    Wonach sollte er suchen, und wo sollte er anfangen? Mit der Taschenlampe leuchtete er die unbezahlbaren Teppiche und das alte Gewehr an der Wand an. Die Sammlung der Opiumpfeifen in der Vitrine sah so unberührt aus wie in einem Museum. Wo versteckt ein Gelehrter seine Geheimnisse? Er tappte leise durch den Flur in die Bibliothek.
    Auf dem Stehpult lag aufgeschlagen ein Gedichtband. Der Engländer hatte sich Notizen gemacht und das chinesische Gedicht einmal ganz übertragen:
    Blau, blau ist das Gras am Fluß,
    Und die Weiden haben den verschlossenen Garten überwuchert,
    Und drinnen die Herrin in der Mitte ihrer Jugend,
    Weiß, weiß im Gesicht, zögert, als sie an der Tür vorbeigeht.
    Schmal streckt sie eine schmale Hand aus;
     
    Und sie war eine Kurtisane in den alten Tagen,
    Und sie hat einen Säufer geheiratet,
    Der jetzt betrunken hinausgeht
    Und sie zuviel allein läßt.
     
    Chan sah sich die Seite genauer an, über die Cuthbert ein einzelnes Wort geschrieben hatte: Emily. Als er die Papiere durchblätterte, fand Chan einige Notizen, die der Diplomat sich gemacht hatte:
     
    Hill sagen, daß er sich um Pilz an den Bäumen kümmern muß. Wagen vor Ende des Monats in Inspektion bringen. Geld für Nepal (und Visum besorgen). Bargeld in den Safe.
     
    Safe? Chan sank der Mut. In eine Wohnung oder in ein Haus einzubrechen, das lernte ein Polizist im Lauf seines Berufslebens, aber Safeknacker waren Spezialisten mit Spezialwerkzeugen. Die Mordkommission beschäftigte sich nicht mit Safes.
    Er fand ihn hinter einer falschen Fassade in der Ecke eines Raumes. Er war ungefähr einszwanzig hoch, sechzig Zentimeter tief und fünfundsiebzig Zentimeter breit – und verschlossen. Chan kam sich wie ein Narr vor, als er sich davor auf den Boden setzte. Plötzlich ging die Tür auf, und das Licht wurde eingeschaltet.
    Cuthbert hatte seine Fliege geöffnet. In der Hand hielt er den größten Revolver, den Chan jemals gesehen hatte. Das Gesicht des Diplomaten war aschfahl.
    »Ich hab’ mir gedacht, Sie versuchen’s zuerst in der Bibliothek.«
    Er trat weiter in den Raum. »Sie sind die beiden letzten Nächte am Banyan-Baum gewesen. Ich hab’ Sie mit dem Teleskop gesehen. Sie sind zu dem Schluß gekommen, daß ich sie umgebracht habe, und meinen vielleicht, ich hätte die Tonbandaufnahme an mich genommen.« Cuthbert zielte mit dem riesigen Revolver in Chans Richtung. »Ich habe das Gefühl, daß ich Sie schon seit Ewigkeiten loswerden möchte.«
    »Endlich merke ich es«, sagte Chan. »Eine ganz schön große Waffe haben Sie da.«
    Cuthbert gab ein grunzendes Geräusch von sich. Die Waffe weiter auf Chan gerichtet, ging er hinüber zu dem Chesterfield-Sessel, setzte sich und seufzte tief. Nach einer Weile hob er die Waffe ein wenig und zielte damit auf Chans Kopf. »Also, dies ist der Moment der Wahrheit. Wenn ich Emily umgebracht habe, dann hätte ich doch jetzt keine andere Wahl, als Sie umzubringen, nicht wahr? Ich könnte sagen, daß Sie bei mir eingebrochen sind, was stimmt, und ich mich nur verteidigt habe. Ich nehme an, die Ausbuchtung unter Ihrer Jacke ist Ihr Dienstrevolver.«
    Chan schloß die Augen. Er hörte, wie Cuthbert den Abzug betätigte. Chan zitterte noch Sekunden, nachdem der Hahn mit einem Klicken auf die leere Kammer getroffen war.
    Cuthbert warf die Waffe auf den Teppich. »Sie gehen mir wirklich ziemlich auf die Nerven. Und für einen Mann von der Mordkommission wissen Sie herzlich wenig über Schußwaffen. Für die Bürgerkriegs-LeMat gibt’s schon seit über fünfzig Jahren keine Munition mehr.«
    »Tut mir leid«, sagte Chan auf Kantonesisch. »Ihre Bildung ist wirklich erstaunlich. Ich bin überwältigt.« Auf Englisch fügte er hinzu: »Auch wenn Sie sie nicht umgebracht haben – Sie haben den Mord mir angehängt.« Seine Gesichtsmuskeln zuckten noch immer.
    »Stimmt.«
    »Warum?«
    Cuthbert sprach abgehackt und ein wenig verbittert. »Weil ich die Erlaubnis dazu bekommen habe. London hat es sich anders überlegt – nach ziemlich vielen Verrenkungen meinerseits übrigens. Ich habe mich an den Gouverneur wenden müssen, um über Hendersons Kopf hinweg direkt den Minister zu erreichen. Henderson ist fuchsteufelswild. Aber ich habe verdammt noch mal recht behalten, es bestand kein Grund, warum man den Fall bis nach dem Juni

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