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Die letzten Tage von Pompeji

Die letzten Tage von Pompeji

Titel: Die letzten Tage von Pompeji Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Lytton Bulwer
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Verhängnis,
Aus des Körpers finsterem Gefängnis
Schwingt empor die freie Seele sich!
     
Wie der Wind in ungehemmtem Zuge
Rastlos durch die freien Lüfte zieht,
Eilt die Seele nun in freiem Fluge
Durch des Raumes grenzenlos Gebiet.
Darum freue dich, in stiller Ruh
Führt Dich Charons Kahn der Freiheit zu.
Wo dich die, so dir vorangegangen,
Wo dir fern vom düsteren Kocyt
Der Genuß des Wiedersehens blüht.
Du bist nicht mehr Sklave dieser Erden,
Seele, du bist frei – doch werden wir,
Werden wir auch bald befreiet werden,
Um zu ruhn auf ewig dann bei dir?
     
     
    Und hoch und weit erhob sich jetzt in den dämmernden Himmel das duftende Feuer; leuchtend schlug es durch die dunklen Cypressen, flog über die dichten Mauern der Stadt empor, und der früh beschäftigte Fischer sah mit Schrecken, wie die Flamme die Wogen der gleitenden See röthete.
    Aber Ione saß entfernt und allein und sah, das Gesicht auf ihre Hände gestützt, die Flamme nicht, hörte weder das Wehklagen noch die Musik. Sie empfand nur das Gefühl der Einsamkeit – sie war noch nicht zu jener trostreichen und beseligenden Stimmung gelangt, in der wir wissen, daß wir nicht einsam, daß die Todten bei uns sind!
    Der Wind kam den im Scheiterhaufen angebrachten brennbaren Materialien schnell zu Hülfe. Allmählig schwankte die Flamme, ward niederer und trüber und starb nach und nach, nachdem sie noch einigemale flüchtig aufgelodert, dahin – ein Bild des Lebens selbst! Wo gerade zuvor noch Flamme und Regung, da lag jetzt die dumpfe rauchende Asche.
    Die letzten Funken wurden durch die Sklaven gelöscht, die Asche aber gesammelt. Mit den seltensten Weinen und den köstlichsten, wohlriechenden Flüssigkeiten getränkt, wurden die Überreste in eine silberne Urne gelegt, die man feierlich in einem der benachbarten Grabmale an der Straße aufstellte, nachdem man auch das Fläschchen voll Thränen und die kleine Münze hineingelegt hatte, welche die Poesie noch immer dem finstern Fährmann bestimmte. Das Grab aber wurde mit Blumen und Kränzen bedeckt, Weihrauch auf dem Altar angezündet und rings umher eine Schaar von Lampen aufgehängt.
    Als jedoch am folgenden Tage der Priester mit frischen Gaben auf das Grab zurückkehrte, da fand er, daß den Geschenken des heidnischen Glaubens unbekannte Hände einen grünen Palmenzweig hinzugefügt hatten. Er ließ ihn liegen, indem er nicht wußte, daß dies das Begräbniszeichen der Christen war.
    Nachdem die eben erwähnten Ceremonien vorüber waren, besprengte eine der Praeficæ die Leidtragenden mit dem reinigenden Lorbeerzweig, indem sie das letzte Wort ausrief: » ilicet! « (du darfst gehen) und die Feier war zu Ende.
    Doch hielten sie noch einmal an, weinend und oft das rührende Lebewohl » salve eternum! aussprechend. Und als Ione noch immer auf der Stätte verweilte, erhoben sie das Abschiedslied:
    Salve eternum
1.
Lebe wohl, entschwebter Geist!
Lebe wohl, was wir verbrennen!
Schmerzergriffen und verwaist
Müssen wir von dir uns trennen!
Dich hat nach dem dunkeln Strand
Das Geschick vorausgesandt;
Doch die raschen Horen tragen
Uns dir nach in kurzen Tagen!
Salve – salve!
Heil'ge Urne, theurer Staub,
Lebe wohl, des Todes Raub!
Salve – salve!
     
2.
Ilicet – ire licet!
Ach, umsonst entschwebst du uns;
Denn im Herzen lebst du uns!
Und auf jedem unsrer Schritte
Bist du stets in unsrer Mitte.
Und umsonst hat uns gefeuchtet
Unsre reinigende Flut,
Und umsonst hat uns geleuchtet
Unsrer Läuterungsfackel Glut.
Denn kein Zauber ist im Stand,
Daß er dein Gedächtnis bannt.
Deine Leichenfeier ist der Schmerz,
Und der Trauerpriester unser Herz.
Salve – salve!
     
3.
Ilicet – ire licet!
Leergebrannt ist nun der Herd,
Und die Flamme ist entschwunden;
Und dein Körper ist verzehrt,
Und dein Geist im Hades unten.
Unser Schmerz wird dich erheben,
Fühlest du der Schatten Noth;
Ist die Liebe kurz im Leben
Dauert ewig sie im Tod.
Salve – salve!
Eine Stunde blüht die Rose
In des Festes heitrem Schooße;
Die Cypresse grünt fort
An des Grabes düstrem Ort!
Salve – salve!
     
     

Neuntes Kapitel.
Worin Ione'n ein Abenteuer begegnet.
    Während Einige zurückblieben, um den Leichenschmaus mit den Priestern zu theilen, schlug Ione mit ihren Sklavinnen den traurigen Heimweg ein. Und jetzt erst, nachdem die letzte Pflicht gegen ihren Bruder erfüllt war, erwachte ihr Geist aus seiner Betäubung, und sie gedachte ihres Bräutigams und der fürchterlichen, gegen ihn erhobenen Klage. Da sie, wie bereits

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