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Die letzten Tage von Pompeji

Die letzten Tage von Pompeji

Titel: Die letzten Tage von Pompeji Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Lytton Bulwer
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gemeldet, nicht einen Augenblick der unnatürlichen Anklage Glauben schenkte, sondern den schwärzesten Verdacht gegen Arbaces hegte, fühlte sie, daß die Gerechtigkeit gegen ihren Geliebten und ihren ermordeten Bruder sie auffordere, sich zum Prätor zu begeben und ihm ihre Vermuthungen, so wenig sie auch Beweise dafür beibringen konnte, mitzutheilen. Als sie ihre Mädchen befragte, die bis daher in der zärtlichen Sorge, ihrer Gebieterin einen weiteren Schmerz zu ersparen, nichts über den Zustand des Glaukus erwähnt hatten, erfuhr sie, daß er gefährlich krank gewesen, sich im Hause Sallusts als Gefangener befinde und daß der Tag der betreffenden gerichtlichen Verhandlung bereits festgesetzt sei.
    »Rettende Götter!« rief sie, »habe ich so lange seiner vergessen können? Schien ich ihn zu meiden? Oh, laßt mich eilen, gerecht gegen ihn zu sein – zu zeigen, daß ich, die nächste Verwandte des Todten, ihn für unschuldig halte. Schnell, schnell, laßt uns fliegen. Laßt mich ihn trösten, pflegen, ermuntern, und wenn man mir nicht glauben, wenn man meiner Überzeugung nicht nachgehen will, wenn man ihn zum Tod oder zur Verbannung verdammt, so will ich sein Schicksal theilen!«
    Unwillkürlich beschleunigte sie ihre Schritte, wußte jedoch in der Verwirrung und der Zerstörung kaum wohin sie ging, indem sie bald beschloß, den Prätor aufzusuchen, bald nach dem Zimmer des Glaukus zu stürzen. Schon war sie, eher fliegend denn gehend, durch das Stadthor in die lange Straße getreten, die sich durch die Stadt hinzieht. Die Häuser standen offen, aber die Straßen waren noch verlassen; das Leben der Stadt war kaum erwacht, als sie plötzlich auf eine kleine Gruppe stieß, die eine bedeckte Sänfte umgab. Eine hohe Gestalt trat aus ihrer Mitte hervor und Ione schrie laut auf, als sie den Arbaces erkannte.
    »Schöne Ione,« begann er sanft und dem Anscheine nach ihre Unruhe nicht bemerkend, »meine Pflegetochter, meine Zöglingin! Vergib mir, wenn ich Dich in Deinem frommen Schmerz störe; aber der Prätor, besorgt für Deine Ehre und vom innigsten Wunsche geleitet, daß Du Dich nicht übereilt in die bevorstehende Untersuchung verwickeln mögest – die seltsame Verwicklung Deiner Lage erwägend, da Du Gerechtigkeit für Deinen Bruder zu suchen, aber die Bestrafung Deines Verlobten zu fürchten hast – beklagend überdies Deine schutz- und freundlose Lage, und es für hart erachtet, wenn Du ohne Führer handeln und allein trauern müßtest, hat Dich weise und väterlich der Obhut Deines gesetzlichen Vormunds überwiesen. Sieh hier die Schrift, welche Dich meiner Aufsicht anvertraut.«
    »Dunkler Egypter,« rief Ione, stolz auf die Seite tretend, »hinweg von mir! Du bist es, der meinen Bruder erschlagen hat! Deiner Obhut also, Deinen noch von seinem Blute rauchenden Händen will man die Schwester überantworten? Ha, Du wirst blaß! Dein Gewissen schlägt Dich! Du zitterst vor dem Donnerkeil des rächenden Gottes! Geh Deines Weges, und überlaß mich meinem Wehe!«
    »Dein Kummer verwirrt Deine Vernunft, Ione,« entgegnete Arbaces, und suchte vergebens die gewöhnliche Ruhe seines Tones zu behaupten. »Ich verzeihe Dir, du wirst jetzt, wie immer, in mir Deinen sichersten Freund finden. Aber die Straße ist nicht der Ort für uns, um uns zu besprechen – für mich, um Dich zu trösten. Herbei, Sklaven! Komm, meine süße Mündel, die Sänfte harrt Deiner!«
    Erstaunt und erschreckt sammelten sich die Dienerinnen um Ione und umschlangen ihre Knie.
    »Arbaces!« sprach die älteste, »das ist gewiß nicht gesetzlich. Denn steht nicht geschrieben, daß die Verwandten des Todten neun Tage nach dem Begräbnis weder in ihrem Hause belästigt, noch in ihrer einsamen Trauer unterbrochen werden sollen?«
    »Weib,« erwiderte Arbaces, gebieterisch mit der Hand winkend, »Eine Mündel unter das Dach ihres Vormunds zu verweisen, streitet nicht gegen die Leichengesetze. Ich sage Dir, ich habe den Befehl des Prätors. Dieser Aufschub ist unanständig. Bringt sie in die Sänfte.«
    Mit diesen Worten schlang er seinen Arm fest um die zitternde Gestalt Ione's. Sie fuhr zurück, schaute ihm ernsthaft ins Gesicht und brach dann in krampfhaftes Lachen aus.
    »Ha, ha, das ist gut – gut! Trefflicher Vormund – väterliches Gesetz, ha, ha!« Und selbst erschreckt durch das fürchterliche Echo dieses durchdringenden und wahnsinnigen Gelächters sank sie, während es verhallte, ohnmächtig zu Boden. Eine Minute später hatte sie

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