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Die letzten Tage von Pompeji

Die letzten Tage von Pompeji

Titel: Die letzten Tage von Pompeji Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Lytton Bulwer
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Riegel vor die Thür und beauftragte denjenigen Sklaven, der in diesem Theile des Hauses Dienst hatte, mit der Verköstigung und Verpflegung seiner Gefangenen.
    Allein und nachdenkend erwartete er nun die ersten Strahlen der Morgenröthe und verließ, wie wir gesehen haben, mit ihnen sein Haus, um sich der Person Ione's zu bemächtigen. Seine Hauptabsicht in Bezug auf die unglückliche Neapolitanerin war in der That, wie er sich gegen Klodius geäußert hatte, dahin gerichtet, sie von einem thätigen Eingreifen in die gerichtliche Verhandlung über Glaukus abzuhalten und ihr (was sie gewiß nicht unterlassen haben würde) die Erhebung einer Klage gegen ihn, wegen der neulich gegen seine Mündel begangenen Treuelosigkeit und Gewaltthat, um so mehr unmöglich zu machen, als eine solche Klage die Ursachen, die er zur Rache an Glaukus hatte, zur Kenntnis des Gerichtes bringen, die Heuchelei seines Charakters enthüllen und beträchtliche Zweifel auf die Wahrhaftigkeit seiner gegen den Athener erhobenen Beschuldigungen werfen mußte. Erst als er ihr an jenem Morgen begegnet, erst nachdem er ihre lauten Beschuldigungen vernommen, überzeugte er sich, daß ihm in Folge ihres Verdachtes gegen ihn eine weitere Gefahr drohe. Nunmehr aber schmeichelte er sich mit dem Gedanken, daß seine Zwecke erreicht seien; denn der Gegenstand seiner Liebe und seiner Furcht befand sich jetzt ja in seiner Gewalt. Mehr als je glaubte er an die günstigen Verheißungen der Sterne, und als er Ione in dem innersten Zimmer seines geheimnisvollen Hauses, das er ihr angewiesen hatte, aufsuchte – als er sie von so vielen aufeinander folgenden Schlägen überwältigt, von Ohnmacht in Ohnmacht, von Aufregung in Erschlaffung sinken und aus einem hysterischen Zustande in den andern gerathen sah, da dachte er mehr an die Lieblichkeit, die kein Wahnsinn entstellen konnte, als an das Wehe, das er über sie gebracht. In jener leichtgläubigen Eitelkeit, die denen eigen ist, die von jeher im äußeren Leben wie in der Liebe unabänderlich glücklich waren, schmeichelte er sich, wenn Glaukus erst vernichtet, wenn sein Name durch ein richterliches Urtheil feierlich gebrandmarkt, wenn sein Anrecht auf ihre Liebe durch die Verurtheilung zum Tode wegen der Ermordung ihres eigenen Bruders, für immer verwirkt sei – werde sich ihre Liebe in Abscheu verwandeln und seine Zärtlichkeit und Leidenschaft, unterstützt durch all die Künste, mit denen er die weibliche Einbildungskraft zu blenden verstund, ihn auf den Thron ihres Herzens erheben, von welchem sein Nebenbuhler so fürchterlich herabgestürzt werden sollte. Dies war seine Hoffnung; sollte sie aber auch vereitelt werden, so flüsterte ihm seine unheilige und glühende Leidenschaft zu: »Im schlimmsten Fall ist sie jetzt in meiner Gewalt.«
    Bei alledem jedoch fühlte er jene Unbehaglichkeit und Bangigkeit, welche stets im Geleite der Möglichkeit einer Entdeckung sind, selbst wenn der Verbrecher gegen die Stimme des Gewissens taub ist – jenen unbestimmten Schrecken vor den Folgen des Verbrechens, den man oft irrthümlicher Weise für Reue über das Verbrechen selbst hält. Die elastische Luft Kampaniens lag schwer auf seiner Brust; er sehnte sich, von einem Schauplatze wegzueilen, wo die Gefahr vielleicht nicht ewig mit den Todten schlief; und da er nun Ione'n in seinem Besitze hatte, beschloß er im Stillen, sobald er die letzten Todeszuckungen seines Nebenbuhlers mit angesehen haben werde, seinen Reichthum und sie, den kostbarsten aller seiner Schätze, nach einer fernen Küste überzuführen.
    »Ja,« sagte er, in seinem einsamen Zimmer auf und abgehend; »ja, das Gesetz, das mir die Person meiner Mündel überantwortet, bringt mich auch in den Besitz meiner Braut. Weit über den breiten Ocean wollen wir ziehen, um neue Herrlichkeiten und noch ungekannte Genüsse zu suchen. Von meinen Sternen ermuthigt, von den Ahnungen meines Geistes getragen, wollen wir zu jenen großen und herrlichen Welten dringen, die, wie mich mein Wissen lehrt, noch unentdeckt, an den fernsten Enden des allumgebenden Meeres liegen. Dort kann dieses Herz, im Besitz von Liebe, endlich auch dem Ruhme wieder leben – dort kann ich vielleicht, unter Nationen, die das römische Joch nicht beugt, und zu deren Ohr der römische Name noch nicht gedrungen ist, ein Reich gründen und den Glauben meiner Väter fortpflanzen; dort kann ich vielleicht die Asche von Thebe's untergegangener Dynastie neu beleben, den Stamm meiner geliebten

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