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Die letzten Tage von Pompeji

Die letzten Tage von Pompeji

Titel: Die letzten Tage von Pompeji Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Lytton Bulwer
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Scheiterhaufen errichtet, der sich in Form eines Altares erhob, und rings herum schwankten die schwarzen, düstern Cypressen, welche die Poesie seit langen Zeiten dem Grabe geweiht hat.
    Sobald die Bahre auf den Scheiterhaufen gestellt war, machte das Leichengefolg auf beiden Seiten Platz, und Ione schritt zum Todtenbett hinan. Regungslos und still blieb sie einige Augenblicke vor der entseelten Hülle stehen. Die Züge des Todten hatten den ersten krampfhaften Ausdruck des gewaltigen Todes verloren. Zum ewigen Schweigen gebracht waren Schrecken und Zweifel, der Kampf der Leidenschaften, die heilige Scheu der Religion, der Streit der Vergangenheit mit der Gegenwart, die Hoffnungen und Befürchtungen der Zukunft. Von Allem, was die Brust dieses jungen Ringers nach dem Heiligsten des Lebens gepeinigt und verheert hatte – welche Spur war in der ernsten Heiterkeit dieser unerforschlichen Stirne und athemlosen Lippe noch sichtbar? Die Schwester schaute ihn an und kein Laut war hörbar unter der Menge; es lag etwas Schreckliches und doch zugleich Sänftigendes in dem Stillschweigen; als es aber gebrochen wurde, geschah dies plötzlich und schnell – mit einem lauten und leidenschaftlichen Schrei – dem Ausbruch lange zurückgehaltener Verzweiflung.
    »Mein Bruder, mein Bruder!« rief die arme Waise, sich auf das Ruhebett hinwerfend; »Du, den der Wurm auf Deinem Pfade nicht fürchtete – welchen Feind konntest Du reizen? Oh, es ist wirklich dahin gekommen? Erwache, erwache; wir wuchsen zusammen auf! Sollen wir so auseinander gerissen werden? Du bist nicht todt – Du schläfst nur. Erwache, erwache!«
    Der Ton ihrer durchdringenden Stimme erweckte das Mitgefühl der Leidtragenden und sie brachten in lautes und wildes Wehklagen aus. Dies schreckte Ione auf und rief sie in das Reich der Wirklichkeit zurück; hastig und verwirrt schaute sie auf, als gewahrte sie jetzt zum erstenmal die Anwesenheit ihrer Umgebung.
    »Ach,« flüsterte sie schaudernd, » wir sind also nicht allein! «
    Hiemit erhob sie sich nach einer kurzen Pause, und ihr blasses und schönes Antlitz war wieder ruhig und starr. Mit sanften und zitternden Händen lüftete sie die Augenlieder des Verstorbenen [Fußnote: Plin. II. 37. ] ; als aber das dunkle gläserne Auge, hinfort nicht mehr von Liebe und Leben strahlend, dem ihrigen begegnete, da schrie sie auf, als ob sie ein Gespenst gesehen hätte. Doch von Neuem sich fassend, küßte sie wieder und wieder die Augenlieder, die Lippen und die Stirne, und nahm mechanisch und bewußtlos aus der Hand des Oberpriesters der Isis die Leichenfackel.
    Der plötzliche Ausbruch der Musik, das sofort ertönende Lied der Leidtragenden, verkündeten die Geburt der heiligenden Flamme.
    1.
Aus den Wolken, die dein Lager sind,
Stehe auf, o sanfter heil'ger Wind!
Sanft und heilig wollen wir dich nennen,
Ob wir auch dein Heimathland nicht kennen.
Jagest du mit Eurus wild davon,
Oder seist du Auster's düstrer Sohn,
Oder dessen, dem der Norden bebt[Boreas] ,
Wenn er seinen Donnersturm erhebt;
Bist du uns so lieb, o heil'ger Wind,
Wie noch je des Wesens zartes Kind,
Schlich es durch des Zwielichts milden Thau,
Zu der Nymphe[Chloris] auf die feuchte Au.
     
2.
Sieh uns unsre Silberschalen schwingen,
Unsre Huldigung dir darbringen;
Nie noch strömten über Tempe's Felder,
Nie noch über Cyperns Cedernwälder.
Oder über Rhodus blaues Meer,
Deiner würdigere Düfte her.
Rings aus unserem heiligen Geschirre
Dampfen Narde, Cassia und Myrrhe
Ihre Wohlgerüche zu dir auf,
Zu umwogen deinen Silberlauf!
     
3.
Ew'ge Quelle aller Lebensfülle,
Luft, zu dir erhebet sich der Blick,
Nimm, o nimm aus dieser stummen Hülle,
Was du einst gesäet nun zurück!
Lodre denn, o heilge Flamme lodre!
Wache auf, o wilder Wind!
Sieh, es ist dein Eigenthum, o fordre,
Forde es zurück dein Kind!
     
4.
Horch er kommt schon! horch, er kommt und brauset,
Den wir vorgerufen, schon heran!
Und er stürmet und er drückt und sauset,
Und die Flamme lodert himmelan!
Wie sich unterm Schlage seiner Schwingen
Schnell die Elemente wild verschlingen!
Wie es wirbelt, wie es zischt und sprüht!
Wie die Flammenschlange glüht!
Steige hohe,
Heil'ge Lohe!
Schlage deine ries'gen Glieder
Um des Windes Sturmgefieder!
Und es nehmen von des Todes Thron
Nun die Elemente ihren Sohn!
     
5.
Laßt die Schalen weitre Kreise schwingen,
Laßt Die Saiten sanfter, weicher klingen!
Sieh! Die Hand der Flamme rettet dich!
Von der Erde, die gekettet dich,
Von der Menschheit eisernem

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