Die Leute mit dem Sonnenstich
Heijeijeijeijei, da hätten Sie mich erleben sollen!«
Barbara gähnte laut — und die Herren fuhren wie erschrockene Hühner auf.
»Guten Morgen!« rief sie unbefangen und dehnte sich behaglich seufzend. »Sind Sie schon alle auf den Beinen? Wie spät ist es denn eigentlich? Meine Uhr ist mir stehengeblieben? Was, schon zehn?«
»Entschuldigung, sind Sie jetzt erst erwacht?« fragte Herr Steffen.
»Denken Sie sich nur, in diesem Augenblick!« antwortete sie verschlafen. »Es ist eine Schande, nicht wahr? Aber der gestrige Tag hatte es auch in sich! — Darf man zu Ihnen herüberkommen?«
»Aber bitte...!«
Barbara schlüpfte durch den Vorhang. Die beiden Herren machten einen sehr belämmerten Eindruck.
»Haben Sie unser Gespräch gehört?« fragte Herr Keyser und rieb sich unbehaglich den Hals.
»Haben Sie sich etwa unterhalten?« fragte Barbara erstaunt. »Ich scheine wie eine Tote geschlafen zu haben.«
Die beiden Herren sahen sich mit Erleichterung an. Sie saßen in ihren Badehosen einträchtig in der Türöffnung und wärmten sich an den Strahlen der Morgensonne. Herr Keyser schien Fieber und Schüttelfrost völlig überwunden zu haben.
Ein paar hundert Meter flußabwärts schwammen Michael und Marion aus der Strommitte auf das linke Ufer zu. Die Standplätze der Reiher waren leer — und Barbara durchstach ein leiser Schmerz.
»Nun, meine Herren«, fragte sie mit harmloser Miene, »hat Ihnen unser liebenswürdiger Wirt und Gastgeber aus der Verlegenheit helfen können?«
»Leider ist er selber knapp bei Kasse«, antwortete Herr Keyser. »Nun ja, wer nimmt auch schon auf solch eine Fahrt viel Geld mit, nicht wahr?«
»Mir soll es recht sein«, sagte Herr Steffen giftig, und eingedenk seines gestrigen Vorsatzes fügte er hinzu, daß er, auch wenn es anders wäre, von diesem merkwürdigen Insulaner niemals auch nur einen Pfennig angenommen hätte!
»Sie werden aber doch irgend etwas unternehmen müssen«, sagte Barbara, »denn sonst stehen Sie nach einer Woche womöglich immer noch vor dem gleichen Problem wie heute.«
Herr Keyser legte sein Gesicht in die Hände und schnaufte. In der braunen Badehose wirkte er wie ein großes Ei in einem braunen Eierbecher, der auf zwei kurzen, dicken Beinchen stand. Was Barbara vorgebracht hatte, war ihm nicht weniger einleuchtend als ihr. Was aber sollte geschehen?
»Und ich bleibe dabei!« rief Thomas Steffen. »Sie müssen Ihre Tochter dazu überreden, daß sie unsern Geschäftsfreund in Ingols-tadt auf sucht! Es ist unsere einzige Chance.«
»Sprechen Sie doch mit ihr!« antwortete Herr Keyser müde.
»Sie sind der Vater!« stellte Steffen nicht ohne Scharfsinn fest. Allerdings klang diese Feststellung einem Vorwurf sehr ähnlich.
»Und wenn der Mann Marion tatsächlich einsperren läßt?« fragte Herr Keyser und zog die buschigen Augenbrauen hoch. »Bedenken Sie doch, wie unwahrscheinlich alles klingen muß! Da kommt eine junge Dame, stellt sich als Marion Keyser vor, hat kein anderes Ausweispapier bei sich als eine höchst fragwürdige Erklärung von uns und erzählt, die beiden Chefs der >Keyserschen Druckanstalt< säßen nackt und bargeldlos wie Hottentotten auf einer einsamen Donauinsel. — Sagen Sie selbst! Es wäre doch geradezu unverzeihlich, wenn der Mann nicht sofort die nächste Polizeistation anriefe!«
»Na und?« fragte Barbara verständnislos. »Was ist schon dabei? Dann sitzt sie eben so lange, bis sich die Polizei davon überzeugt hat, daß ihre Angaben der Wahrheit entsprechen.«
»Sitzt! Das sagen Sie so leicht dahin, als ob das gar nichts wäre, Fräulein Hollstein. Aber täten Sie das etwa?«
»Auf der Stelle!« antwortete Barbara prompt. »Oder denken Sie etwa, ich hätte Angst davor, ein paar Stunden abzubrummen? Nicht die Bohne! Ich kenne das...«
»Wie bitte?« schrie Thomas Steffen entsetzt.
»Jawohl, ich habe schon einmal gesessen. Im vergangenen Fasching. Volle vier Stunden. Wegen nächtlicher Ruhestörung und Beamtenverhöhnung.«
»Und ich habe als Student einmal fünf volle Tage abgerissen!« trumpfte Herr Keyser auf. »Wegen trunkenen Randalierens, Laternenzertrümmerung und Widerstands gegen die Staatsgewalt, haha, das waren noch Zeiten!«
»Na also! Dann müssen Sie Ihrer Tochter ihre Bedenken doch leicht ausreden können.«
»Ich will es versuchen, aber ich meine, es wird wenig nützen. Es kommt ganz darauf an, ob sie will. Und ich fürchte leider, sie will nicht.«
Er begründete diese Befürchtung nicht
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