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Die Leute mit dem Sonnenstich

Die Leute mit dem Sonnenstich

Titel: Die Leute mit dem Sonnenstich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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Persien, um dort nach Erdöl zu bohren. Und außerdem hat er vor kurzer Zeit seine Pilotenprüfung als Flieger gemacht und bei seinem letzten Flug Pech gehabt. Man hat ihn aus der völlig zertrümmerten Maschine herausgeholt, und jetzt ist er auf ärztliches Anraten hier, um sich von den Folgen des Unfalls zu erholen.«
    Sie hatte, als sie diese Dinge erzählte, keine andere Absicht gehabt, als die Kreditfähigkeit von Michael klarzustellen und den Alten Herrn über die Zukunft zu beruhigen. Die Wirkung ihrer Worte war zu ihrem Erstaunen eine ganz andere.
    »Also mit einem Wort: schwerer Dachschaden!« stellte Herr Steifen fest. »So etwas Ähnliches habe ich mir vom ersten Augenblick an gedacht.«
    Marion aber fuhr wie elektrisiert herum, ergriff ihre Hand und rief: »Und das sagen Sie erst jetzt?«
    »Allmächtiger!« erklang es von drüben aus dem Munde von Marions Vater. Das hatte ihm gerade noch gefehlt! Herr Thomas Steffen aber erhob sich, löschte die Lampe und stellte sie, da das Karbidgas der Düse weiter zischend entwich und den höchst unangenehmen Geruch nach Fischbratküche um eine neue, nicht weniger scheußliche Duftnuance bereicherte, ins Freie.

    Barbara verbrachte eine unruhige Nacht.
    Die sanfte Musik des Regens, die Marion rasch einschläferte, blieb auf sie ohne Wirkung. Das gurgelnde Rauschen des angeschwollenen Stromes und die raschelnden Geräusche, mit denen die Weidenzweige über das Schilfdach strichen, hielten sie wach. Außerdem schnarchte Herr Keyser mit geringen Pausen, in denen er mit einem Schnapper nach Luft rang, ausdauernd und sehr lautstark. Herr Steffen schnarchte nicht, dafür warf er sich ruckartig im Schlaf auf die andere Seite, und man spürte die Erschütterung des Bretterbodens.
    Im Schein einer Zündholzflamme betrachtete Barbara Marions Gesicht. Die blonde junge Dame — anscheinend sogar naturblond, denn über der Kopfhaut wuchs nichts Dunkles nach — lächelte im Schlaf. Und Barbara stellte mit einer gewissen Nachdenklichkeit fest, daß ihre Schlafgenossin sehr hübsch sei. Sie schlummerte wie ein Kind, mit geballten Fäusten, und die Tiefe ihres Schlafes vermochte nichts von dem Reiz ihrer eigenwilligen Schönheit fortzustehlen.
    Die Flamme erlosch, nachdem sie Barbaras Fingerspitzen geröstet hatte, aber Barbara starrte noch lange durch die völlige Finsternis auf Marion nieder. Vielleicht war es nicht ungefährlich, morgen Reißaus zu nehmen und Michael mit diesem abenteuerlustigen Geschöpf hierzulassen.
    Eifersucht? Er hatte ihr bisher nie einen Grund gegeben, eifersüchtig zu sein. Und es kränkte sie auch nicht besonders, daß er diesem Mädchen ganz offen den Hof gemacht hatte. Solange das in ihrer Gegenwart geschah, konnte es sie nicht beunruhigen, denn sie kannte schließlich den Zweck der Übung. Auf irgendeine Weise mußte er sich natürlich für die zerbrochene Angelgerte rächen. Das ist nun einmal Kinderart, und in ihren Augen war er und blieb er ein etwas groß geratener Junge. Aber jetzt machte sie sich selber Vorwürfe, daß sie auf das törichte Spiel von Michael eingegangen war, sich gegenseitig zu verleugnen. Wie sollte das weitergehen, wenn dieses Fräulein Marion ihre offenbare Absicht, sich für eine Weile auf der Insel häuslich niederzulassen, trotz des Widerstandes ihrer Begleiter in die Tat umsetzte?
    Nun, es war wohl am gescheitesten, in Ruhe den Morgen abzuwarten. Michael gehörte zu den Leuten, deren Groll eine gut durchschlafene Nacht nicht überdauerte. Das wußte sie aus der Erfahrung der kleinen Kräche, die sie bisher gelegentlich miteinander gehabt hatten. Und sie gab ehrlich zu, an diesem großen Krach die Hauptschuld zu tragen. Aber wozu war Michael denn ein Mann und Kavalier, wenn nicht, um großmütig zu sein! Schließlich und endlich, hatte er sie mit seiner idiotischen Angelei nicht lange genug gereizt? Die Angelrute zerbrochen — ach du lieber Gott! Was war da schon Großes daran! Und wenn eine Dame ihrem Ritter eine herunterhaute, dann hatte er zu lächeln und zu sagen: »Sie haben sich dabei doch hoffentlich nicht weh getan, edle Frau?« Jawohl, so hatte sich ein Mann zu benehmen!
    Zehn Schritte von der Hütte entfernt lag Michael in seinem trockenen und warmen Zelt und schämte sich tatsächlich, Barbara so niederträchtig behandelt zu haben. Er war in seinem Groll entschieden zu weit gegangen. Aber sein Trotz war leider nicht kleiner als seine Reue und seine Versöhnungsbereitschaft. Die kostbare Angelgerte hatte sie ihm

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