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Die Leute mit dem Sonnenstich

Die Leute mit dem Sonnenstich

Titel: Die Leute mit dem Sonnenstich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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glitzerte, glaubte er selber nicht an das, was er in seiner Wut und in seiner verletzten Männerwürde heraussprudelte.
    Die Angelrute zerbrochen! Es war wirklich schlimm, was sie da verbrochen hatte. Das Schlimmste war geschehen, was einem Mann wie Michael passieren konnte: sein Spielzeug war fort. Ihn etwa um Gnade und Vergebung bitten? Das fehlte gerade noch, um ihn für alle Zeiten zu verderben! Sie wußte genau, daß er eines schönen Tages, morgen schon oder spätestens übermorgen, bei ihr, gerade so, als ob nichts gewesen sei, anklopfen würde. Aber dann...!
    Dann...?
    Nichts!
    Gut, und jetzt packte sie eben ihre Siebensachen und machte sich auf und davon. Mit einem Abonnement auf eine Leihbibliothek kann man zwei oder drei Tage auch sehr schön daheim verbringen. Oder glaubte Michael etwa nicht ernstlich daran, daß sie es fertigbrächte, sich in ihren Einer zu setzen und abzureisen? Nun, wenn er daran etwa nicht glaubte, dann sollte er sich täuschen! Ihr blau gestrichenes Boot lag neben seinem silbergrauen am Strand in der Mitte der Insel und war, um die Gummierung gegen die Sonnenbestrahlung zu schützen, mit abgerupftem Schilf bedeckt. Dieses friedliche Nebeneinander der Boote, die von dem Unfrieden ihrer Besitzer nichts ahnten, stieß Barbara ans Herz. Sie packte den Steven seines Kajaks und schüttelte ihn, als griffe sie in Michaels widerspenstigen Schopf. Was war er nur für ein riesengroßer Esel! Sie gab dem Boot einen zärtlichen, weichen Tritt in die Rippen und ging zur Hütte hinüber, um zu packen.
    Aber auf dem Wege dorthin wurde sie von Herrn Keyser angerufen. Der Alte Herr saß, an einem Grashalm kauend, mit untergeschlagenen Beinchen neben seinem Sozius Steffen im Schatten der. Weide. Marion stand in einem hellblauen Leinenkleid vor den Herren — und die ganze Szene sah nach einem Kriegsrat aus, bei dem Marion die entscheidende Stimme für sich beanspruchte. Die Haltung der Herren aber ließ darauf schließen, daß ihre Vorschläge bis dato von Marion abschlägig beschieden worden waren.
    Als Barbara sich näherte, nahm Marion eine Haltung an, als fürchte sie auch diesen neuen Gegner nicht.
    Herr Steffen schien schon seit längerer Zeit völlig verstummt zu sein. Er sog verbissen an einer erloschenen Zigarre. Herr Keyser hatte einige in seinem Boot gerettet, aber sie waren feucht geworden. Steffen war sehr blaß und bewegte manchmal den Kopf auf eine Weise, als quäle ihn ein zu enger Kragen.
    Die Geschichte stand, wie Herr Keyser Barbara mit müder und abgekämpfter Stimme mitteilte, leider so, daß Marion hier anscheinend auf ein Wunder warten wollte, das die drei von der Insel fortbringen sollte. Weder ihm noch Herrn Steffen war es gelungen, die störrische junge Dame dazu zu bewegen, den Geschäftsfreund in Ingolstadt aufzusuchen und dem Mann die peinliche Lage der kleinen Reisegesellschaft zu schildern. Und Marion wiederholte gelangweilt und eigensinnig nun wohl schon zum sechsten Male, daß sie auch nicht im Traum daran dächte, sich zu blamieren und womöglich einsperren zu lassen.
    Herr Keyser warf Barbara einen hilfeflehenden Blick zu, als wünsche er, Barbara möge seiner Tochter erzählen, daß eingesperrt zu werden nicht das schlimmste Los auf dieser Welt sei.
    Barbara hob die Schultern und ließ sie wieder sinken. Sie stand hier zwischen zwei Feuern, und die Lage war nicht sehr angenehm für sie. Was ging diese Gesellschaft sie auch schon an? Die ganze Geschichte mit Michael hätte ohne das Dazwischentreten dieser Leute eine andere und bessere Wendung genommen.
    »Leider hat Fräulein Marion uns aber auch noch keinen anderen brauchbaren Vorschlag gemacht, wie wir von dieser ekelhaften Insel herunterkommen sollen!« stieß Herr Steffen plötzlich hervor. Er sprach mit zusammengebissenen Zähnen und machte den Eindruck eines Mannes, der bereits an den Gitterstäbchen seiner guten Kinderstube zu rütteln begann.
    »Ich kann mir wirklich nicht vorstellen, daß man an Ihren Erzählungen zweifeln wird, Fräulein Keyser«, sagte Barbara und unternahm den letzten Versuch, die unerwünschten Gäste dadurch loszuwerden, daß sie Marion gut zuredete. »Und wenn man Ihren Angaben tatsächlich keinen Glauben schenken sollte, so haben Sie selber doch ein gutes Gewissen, um einer Untersuchung der Angelegenheit mit Ruhe entgegenzusehen. Oder warten Sie — ich mache Ihnen einen anderen Vorschlag: Gehen Sie doch sofort zur Polizei! Sagen Sie dort, daß Sie Ihren Paß bei einem Bootsunfall

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