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Die Leute mit dem Sonnenstich

Die Leute mit dem Sonnenstich

Titel: Die Leute mit dem Sonnenstich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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Ahnung davon, was ihr Vater hatte sagen wollen und was ihm beinahe herausgerutscht wäre, wenn Thomas Steffen ihm nicht ins Wort gefallen wäre.
    »Und ich bleibe nicht einen Tag länger hier!« knurrte der Chef der >Keyserschen Druckanstalt< eigensinnig wie ein störrisches Kind. »Nein, zum Teufel, ich bleibe hier nicht! Und wer in Zukunft in meiner Gegenwart noch einmal allein das Wort >Faltboot< ausspricht, den...«
    Marion fiel ein, ehe noch die fürchterliche Drohung ausgesprochen wurde: Nein, noch hatte man wirklich keinen Grund zum Verzweifeln! Es war zwar nicht angenehm, sich an einen wildfremden Menschen, den man vor einigen Stunden gerade dem Namen nach kennengelernt hatte, um Hilfe wenden zu müssen. Aber vielleicht konnte ihnen Fräulein Hollstein in dieser Verlegenheit beistehen.
    Barbara war untröstlich. Leider bestand ihre ganze Barschaft aus einem Zwanzigmarkschein und ein paar Pfennigen darüber. Aber bitte, wenn der kleinen Gesellschaft mit diesem bescheidenen Betrag geholfen werden konnte, so war sie herzlich gern bereit, einzuspringen.
    Aber Herr Keyser lehnte das freundliche Angebot mit Dank ab und erinnerte sie daran, daß sie morgen ja selber weiterziehen wolle.
    »Es wird uns nichts anderes übrigbleiben, als morgen unserem Wirt unsere unangenehme Lage zu schildern«, sagte Marion schließlich. »Ich bin davon überzeugt, daß er uns aus der Patsche helfen wird, wenn es ihm möglich ist.«
    »Wie heißt der Kerl überhaupt?« fragte Herr Keyser.
    »Ich glaube, Prack, wenn ich ihn recht verstanden habe«, antwortete Barbara, »Michael Prack.«
    »Diesen Piraten anpumpen?« stieß Thomas Steffen hervor. »Nie! Nie im Leben! Und wenn ich nachts s-plitterfasernackt zu Fuß nach Hause laufen und mich tagsüber im Gebüsch vers-tecken müßte!«
    »Was haben Sie nur gegen Herrn Prack?« fragte Marion unliebenswürdig. »Ich finde, daß wir ihm dankbar sein sollten und daß er sehr freundlich und nett zu uns war.« Steffen pfiff durch die Zähne: »Freundlich? Nett? Daß ich nicht lache! Etwa deshalb freundlich und nett, weil er uns in dieser Bretterbude schlafen läßt, die ihm nicht einmal gehört?«
    Und Barbara stimmte ihm lebhaft zu.
    Ihr Beifall wiederum ermutigte Thomas Steffen zu scharfen Ausfällen gegen den ekelhaften Kerl: »Ich bleibe dabei, Fräulein Marion, dieser Mensch ist ein ungehobelter Lümmel. Und wenn Sie morgen den Gang nach Canossa antreten wollen, bitte sehr, dann tun Sie es. Aber ohne mich! Ohne mich! Das möchte ich ausdrücklich fests-tellen!«
    »Und deine Meinung darüber, Paps?« fragte Marion.
    Herr Keyser brummte vor sich hin, und das war seine ganze Antwort.
    Thomas Steffen schien sie nicht zu genügen. Er stieß die Luft ein paarmal mit zornig schnaubendem Geräusch durch die Nase: »Seinem Betragen nach dürfte dieser Flegel...«
    Aber Marion schnitt ihm das Wort vom Munde ab: »Nun hören Sie doch schon endlich einmal damit auf! Ihre Voreingenommenheit gegen Herrn Prack ist geradezu krankhaft. Ich weiß nicht, was Sie an seinem Benehmen eigentlich auszusetzen haben. Mir gegenüber hat er sich jedenfalls wie ein Kavalier betragen. Und überhaupt ist mir ein Mann mit natürlichen Umgangsformen bedeutend sympathischer als ein Mensch, der sich schraubt und immer nur wie aus einem s-teifen S-tehkragen heraus s-pricht!« Wahrhaftig, sie sagte s-teifer S-tehkragen mit deutlich getrenntem s und t. Und taub gegen Steffens entrüsteten Protest befahl sie ihrem Vater, sich zu ihrem Vorschlag klar und deutlich zu äußern.
    »Hm«, sagte Herr Keyser, »wenn uns nichts anderes bleibt, werden wir wohl in den sauren Apfel beißen müssen. Aber ich will dir auch nicht verschweigen, Marion, daß mir der Gedanke, die Hilfe dieses Menschen in Anspruch nehmen zu müssen, äußerst widerwärtig ist. Denn der Kerl ist ein Rüpel! Und außerdem ist es sehr fraglich, ob er uns wird aushelfen können.«
    »Ich brauche nicht mehr als das Reisegeld für mich allein. Euch lasse ich ihm als Pfand zurück und fahre heim, tun Geld und Kleidungsstücke für euch zu holen. Wenn die Anschlüsse günstig sind, kann ich mit dem Wagen am gleichen Tag wieder hier sein.«
    »Was der Kerl wohl von Beruf sein mag?« rätselte Herr Keyser. Einen Einwand gegen Marions Vorschlag schien er nicht zu haben.
    »Das kann ich Ihnen verraten«, sagte Barbara, »wahrscheinlich wollte er bei mir Eindruck schinden, als er es mir kurz vor Ihrem Eintreffen erzählte. Er ist Diplomingenieur und geht demnächst nach

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