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Die Libelle

Die Libelle

Titel: Die Libelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John le Carré
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nirgends sonst wollte sie lieber sein. Sie hatten ihr ein bisschen erzählt, waren über die Geschichte hingestrichen, so wie ein Scheinwerfer über eine dunkle Einfahrt fährt und einen flüchtigen Blick auf das freigibt, was auch immer sich darin verbirgt. Stell dir vor, sagten sie -und erzählten ihr von einem vollkommenen Liebhaber, den sie nie kennengelernt hatte. Ihr war das ziemlich egal. Sie legten Wert auf sie. Sie kannten sie durch und durch; wussten um ihre Verletzlichkeit und um ihre vielen Masken. Und wollten sie trotzdem noch. Sie hatten sie gestohlen, um sie zu retten. Nach all ihrem Sichtreibenlassen - endlich dieser gerade Kurs. Nach all ihrer Schuld und Verheimlicherei - Billigung und Vertrauen. Nach all ihren Worten - auf der anderen Seite nun Handeln, Mäßigung, Zielstrebigkeit, Echtheit und aufrichtige Verpflichtung, jene Leere in ihr auszufüllen, die wie ein gelangweilter Dämon in ihr gegähnt und geschrieen hatte, solange sie sich erinnern konnte. Sie war ein Federgewicht, das von einem Sturmwind um und um gewirbelt worden war, aber plötzlich - zu ihrer Überraschung und Erleichterung - waren sie es, die die Richtung des Windes bestimmten.
    Sie legte sich zurück, ließ sich von ihnen tragen, von ihnen annehmen, von ihnen nehmen. Gott sei Dank, dachte sie: endlich eine Heimat. Du wirst dich selbst spielen, mehr sogar noch, sagten sie - und wann jemals hatte sie das nicht getan? Dich selbst, und dein ganzes blendendes Können ist dabei aufgerufen, sagten sie - nenn es mal so. Nennt es, wie ihr wollt, dachte sie. Ja, ich höre zu. Ja, ich folge.
    Sie hatten Joseph den Vorsitz an der Mitte des Tisches übergeben. Litvak und Kurtz saßen unbewegt wie Monde links und rechts von ihm. Josephs Gesicht war flammendrot, wo sie ihn getroffen hatte; eine Kette von kleinen Schrammen lief ihm über die linke Wange, dort, wo die Backenknochen hervorstanden. Durch die Jalousiestäbe wurden Leitern aus Frühlicht auf die Dielenbretter und den leichten Klapptisch geworfen. Sie hörten auf zu reden.
    »Habe ich schon entschieden?« fragte sie ihn.
    Joseph schüttelte den Kopf. Dunkle Bartstoppeln unterstrichen noch, wie eingefallen sein Gesicht war. Das von oben herabfallende Licht ließ feine Linien um seine Augen herum erkennen.
    »Erklär mit das mit dem Nützen noch mal«, schlug sie vor. Sie spürte, dass aller Interesse gespannt war wie eine straffe Saite. Litvak, die weißen Hände vor sich gefaltet, mit toten Augen, die jedoch eigentümlich zornig wurden, wenn er sie betrachtete; Kurtz, alterslos und prophetenhaft, das runzelige Gesicht mit Silberstaub bestäubt. Und rings an den Wänden immer noch die jungen Leute, andächtig und unbewegt, als ob sie sich zur ersten Kommunion anstellten.
    »Sie sagen, dass du Leben retten wirst, Charlie«, erklärte Joseph mit sachlicher Stimme, aus der er auch den leisesten Hinweis auf irgendwelches Theaterspielen rigoros verbannt hatte. Erkannte sie so etwas wie Zögern in seiner Stimme? Wenn ja, unterstrich das nur noch die Bedeutung dessen, was er sagte. »Dass du Müttern ihre Kinder zurückgeben und dazu beitragen wirst, friedliebenden Menschen Frieden zu bringen. Sie sagen, dass unschuldige Männer und Frauen am Leben bleiben werden. Durch dich.«
    »Und was sagst du?«
    Seine Antwort kam betont langsam. »Warum wäre ich sonst hier? Bei einem von uns würden wir diese Aufgabe ein Opfer nennen, ein Sühneopfer fürs Leben. Da es aber um dich geht -nun ja, vielleicht ist es gar nicht so anders.«
    »Wo wirst du sein?«
    »Wir werden dir so nahe sein, wie es geht.«
    »Ich habe dich gemeint. Dich ganz persönlich. Dich, Joseph.«
    »Natürlich werde ich in deiner Nähe sein. Das ist meine Arbeit.« Und nichts als meine Arbeit - das war es, was er eigentlich sagte; nicht einmal Charlie konnte die Botschaft missverstehen. »Joseph wird die ganze Zeit über in deiner Nähe sein, Charlie«, ließ Kurtz sich leise vernehmen.
    »Joseph ist ein sehr, sehr guter Agent. Joseph, sag ihr bitte, wie es um den Zeitfaktor bestellt ist.«
    »Wir haben nur sehr wenig Zeit«, sagte Joseph. »Jede Stunde zählt.«
    Kurtz lächelte immer noch, schien darauf zu warten, dass er noch mehr sagte. Aber Joseph hatte dem nichts mehr hinzuzufügen. Sie hatte ja gesagt, musste ja gesagt haben. Oder zumindest zur nächsten Phase, denn sie spürte, wie alle rings um sie kaum merklich erleichtert aufatmeten; doch dann kam zu ihrer Enttäuschung nichts mehr. In der exaltierten Verfassung, in

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