Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Libelle

Die Libelle

Titel: Die Libelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John le Carré
Vom Netzwerk:
darauf ein, währenddessen er Alexis mit Augen und Gedanken zu testen schien. Dann machte er jene von Alexis so bewunderte Bewegung, mit der er den Ärmel zurückschob, das Handgelenk ein wenig hob und einen nachdenklichen Blick auf die Armbanduhr warf. Und es erinnerte Alexis wieder einmal daran, dass, während ihm selbst die Zeit nur schleppend verging, Kurtz nie genug davon zu haben schien.
    »Köln wird Ihnen außerordentlich dankbar sein, glauben Sie mir«, drängte Alexis ihn. »Mein so tüchtiger Nachfolger - Sie erinnern sich an ihn, Marty? - wird einen enormen persönlichen Triumph für sich verbuchen können. Wenn die Medien mitspielen, wird er zum brillantesten und populärsten Polizeibeamten in der Bundesrepublik. Durchaus zu Recht, ja? Und alles nur durch Sie.«
    Kurtz’ breites Lächeln räumte ein, dass es so sei. Er nippte ein wenig an seinem Whisky und fuhr sich mit einem alten khakifarbenen Taschentuch über die Lippen. Dann barg er das Kinn in der Handfläche und stieß einen Seufzer aus, der erkennen ließ, dass er das ja nun eigentlich nicht damit sagen wolle, doch wenn Alexis meine, werde er es tun. »Nun ja, in Jerusalem hat man sich sehr ausgiebig mit dieser Frage beschäftigt, Paul«, gestand er. »Und wir sind uns nicht ganz so sicher, wie Sie es zu sein scheinen, dass Ihr Nachfolger der Typ Mensch ist, für dessen Vorwärtskommen wir uns übermäßig einsetzen würden.« Er tat so, als überlegte er. Was ließe sich denn da nun machen? schien sein Stirnrunzeln zu fragen. »Uns ist vielmehr eingefallen, dass es da ja noch eine Alternative für uns gab, und vielleicht sollten wir es ein wenig mit Ihnen durchgehen, um herauszufinden, wie Sie darauf reagieren. Vielleicht, so haben wir uns gesagt, gibt es ja immer noch die Möglichkeit, dass der gute Dr. Alexis unsere Information für uns nach Köln weitergibt. Rein privat. Inoffiziell und doch offiziell, wenn Sie verstehen, was ich meine. Aufgrund seines persönlichen Engagements und seiner Umsicht als Verwaltungsbeamter. Das ist eine Frage, mit der wir uns beschäftigt haben. Vielleicht könnten wir an Paul herantreten und ihm sagen: ›Paul, Sie sind ein Freund Israels. Nehmen Sie dies. Verwenden Sie’s. Schlagen Sie etwas für sich dabei heraus. Nehmen Sie es als ein Geschenk von uns, und halten Sie uns da raus. Warum in solchen Fällen immer den falschen Mann die Treppe rauffallen lassen? haben wir uns gefragt. Warum nicht zur Abwechslung mal den richtigen? Warum nicht mit Freunden zusammenarbeiten, wie es unseren Grundsätzen entspricht? Sie vorankommen lassen? Sie für ihre Treue uns gegenüber belohnen?«
    Alexis gab vor, nicht zu verstehen. Er war ziemlich rot geworden, und der Ton, in dem er dieses Ansinnen von sich wies, hatte etwas leicht Hysterisches. »Aber, Marty, hören Sie mich an. Mir stehen keine Quellen zur Verfügung. Ich bin nicht mehr im Einsatz, sondern bin Verwaltungsbeamter. Wie stellen Sie sich das vor? Soll ich den Hörer aufnehmen - ›Hallo, Köln, hier spricht Alexis, ich rate Ihnen, gehen Sie sofort ins Haus Sommer, verhaften Sie die Achmann-Tochter, laden Sie ihre Freunde zum Verhör vor‹? Bin ich denn ein Zauberkünstler - ein Alchimist -, dass ich aus Steinen plötzlich wertvolle Informationen machen kann? Was stellen die sich denn in Jerusalem vor - dass ein Koordinator plötzlich zum Magier wird?« Die Art, wie er sich selbst lächerlich machte, hatte plötzlich etwas Plumpes und zunehmend Unwirkliches. »Soll ich die Festnahme aller bärtigen Motorradfahrer verlangen, die möglicherweise Italiener sind? Die lachen mich doch aus!«
    Er wusste nicht mehr weiter, und so half Kurtz ihm. Genau das hatte Alexis auch gewollt, denn er war wie ein Kind, das die Autorität kritisiert, bloß um von ihr in den Arm genommen zu werden.
    »Kein Mensch erwartet Festnahmen, Paul. Noch nicht. Zumindest nicht auf unserer Seite. Es erwartet überhaupt niemand greifbare Ereignisse, Jerusalem schon gar nicht.«
    »Aber was erwartet ihr denn dann?« wollte Alexis plötzlich barsch wissen.
    »Gerechtigkeit«, sagte Kurtz freundlich. Doch sein unbeirrt offenes Lächeln vermittelte eine andere Art von Botschaft. »Gerechtigkeit, ein bisschen Geduld, ein bisschen Nerven, viel schöpferische Phantasie, eine Menge Einfallsreichtum von dem, wer auch immer unser Spiel für uns spielt. Lassen Sie mich etwas fragen, Paul.« Sein großer Kopf kam plötzlich sehr viel näher, und seine kräftige Hand legte sich auf den Unterarm des

Weitere Kostenlose Bücher