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Die Libelle

Die Libelle

Titel: Die Libelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John le Carré
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in schöner Hochachtung vor der hinreißenden Leistung seines Mentors auf die Seite gelegt.
    »Darf ich fragen, auf was sich diese interessanten Theorien stützen?« erkundigte sich Alexis mit einem wenig überzeugenden Hauch von Skepsis.
    Kurtz tat so, als überlegte er, dabei waren ihm Yanukas Auskünfte so gegenwärtig, als säße er noch immer mit ihm in seiner gepolsterten Zelle in München zusammen, wo der junge Mann sich den Kopf hielt, während er hustete und weinte. »Nun ja, Paul, wir haben die beiden Nummernschilder des Opels, eine Fotokopie des Vertrags mit dem Auto-Verleih und die unterzeichnete Aussage von einem der Beteiligten«, gestand er, und in der bescheidenen Hoffnung, dass diese mageren Beweise vorläufig ausreichen würden, fuhr er mit seinem Bericht fort.
    »Der junge Mann mit dem Bart liefert sie in der Scheune ab, entschwindet und taucht nie wieder auf. Das Mädchen zieht ihr hübsches blaues Kleid an, setzt die Perücke auf, macht sich wirklich ansprechend zurecht, genau so, dass sie dem doch wohl recht leichtgläubigen und übertrieben liebevollen Arbeits-Attache gefallen muss. Sie steigt in den Opel und wird von einem zweiten jungen Mann zum Ziel-Haus gefahren. Unterwegs halten sie an, um die Bombe zu schärfen. Bitte?«
    »Dieser junge Mann«, fragte Alexis eifrig. »Kennt sie ihn, oder ist seine Person ein Geheimnis für sie?«
    Kurtz wollte sich auf gar keinen Fall weiter über Yanukas Rolle auslassen, und so ließ er die Frage unbeantwortet und lächelte nur; trotzdem war sein Ausweichen nicht kränkend; denn Alexis war nun auf jede Einzelheit scharf und konnte schließlich nicht erwarten, dass ihm der Teller jedes Mal gefüllt wurde. Außerdem war das nicht wünschenswert.
    »Nachdem der Auftrag erledigt ist, wechselt derselbe Fahrer die Nummernschilder und die Wagenpapiere aus und fährt mit dem Mädchen in den hübschen Kurort am Rhein, Bad Neuenahr, wo er sie absetzt«, nahm Kurtz seine Erklärung wieder auf.
    »Und dann?«
    Kurtz sprach plötzlich außerordentlich bedächtig weiter, als ob jetzt jedes Wort seinem komplizierten Plan gefährlich werden könnte, wie es ja auch in der Tat der Fall war. »Und dort - schätzungsweise -, würde ich sagen, wird das Mädchen mit einem gewissen heimlichen Verehrer von ihr bekannt gemacht - jemandem, der ihr vielleicht ein bisschen Nachhilfeunterricht in ihrer Aufgabe an diesem Tag gab. Sagen wir, darin, wie man die Bombe scharf macht. Wie man den Zeitzünder einstellt, den Auslöser spannt. Wenn Sie mich fragen, würde ich meinen, dass dieser selbe Verehrer bereits irgendwo ein Hotelzimmer bestellt hatte und dass die beiden sich unter dem anregenden Einfluss des gemeinsam Erreichten leidenschaftlich der Liebe hingaben. Am nächsten Morgen, während sie noch ihr Vergnügen ausschlafen, geht die Bombe los - zwar später als beabsichtigt, doch wen kümmert’s?«
    Alexis beugte sich schnell vor, vor Aufregung klang er fast anklagend. »Und der Bruder, Marty? Der große Kämpfer, der schon so viele Israelis auf dem Gewissen hat? Wo war der die ganze Zeit über? In Bad Neuenahr doch wohl, wo er sich ein bisschen mit der kleinen Bombenlegerin vergnügt hat, oder?«
    Doch Kurtz ’ Züge waren zur Undurchdringlichkeit erstarrt, was den Enthusiasmus des guten Doktors nur noch zu verstärken schien.
    »Wo immer er ist, er leitet eine wirkungsvolle Operation, schön unterteilt, schön delegiert, alles gründlich recherchiert«, erwiderte Kurtz offensichtlich voller Genugtuung. »Der junge Mann mit dem Bart hatte nur die Beschreibung des Mädchens, sonst nichts. Nicht einmal das Ziel. Das Mädchen wiederum kannte die Nummer seines Motorrads, nicht aber den Fahrer. Da ist wirklich ein kluger Kopf am Werk.«
    Danach schien Kurtz plötzlich mit seraphischer Taubheit geschlagen zu sein, so dass Alexis nach weiteren fruchtlosen Fragen das Bedürfnis hatte, neue Whiskys zu bestellen. In Wahrheit war es so, dass der gute Doktor etwas unter Sauerstoffmangel litt. Er hatte das Gefühl, sein Leben bisher auf einem niedrigeren Niveau des Seins zugebracht zu haben, in letzter Zeit sogar auf einem sehr niedrigen. Plötzlich nun beförderte der große Schulmann ihn in Höhen, von denen er sich bislang nichts hatte träumen lassen.
    »Und jetzt sind Sie hier in Deutschland, um diese Informationen an Ihre amtlichen deutschen Kollegen weiterzugeben, nehme ich an«, bemerkte Alexis provozierend.
    Doch Kurtz ging nur mit einem ausgedehnten, vielsagenden Schweigen

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