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Die Libelle

Die Libelle

Titel: Die Libelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John le Carré
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Doktors. »Nehmen wir mal Folgendes an. Nehmen wir an, ein sehr anonymer und ganz ungewöhnlich verschwiegener Informant - ich sehe einen hochgestellten Araber vor mir, Paul, einen Araber aus der gemäßigten Mitte, der Deutschland liebt, Deutschland bewundert und im Besitz ist von Informationen über gewisse terroristische Aktivitäten, mit denen er nicht einverstanden ist-, nehmen wir mal an, ein solcher Mann hätte vor einiger Zeit den großen Alexis im Fernsehen gesehen. Nehmen wir mal an, er saß eines Abends in seinem Hotelzimmer in Bonn - oder sagen wir: Düsseldorf, egal wo -und drehte, bloß um sich ein bisschen die Zeit zu vertreiben, seinen Fernseher an und sah zufällig den guten Dr. Alexis, einen Juristen und Polizeibeamten, gewiss, aber auch einen Mann mit Humor, flexibel, pragmatisch, einen Humanisten bis in die Fingerspitzen - kurz, einen Mann von Format - ja?« »Gut, nehmen wir mal an«, sagte Alexis, halb taub durch Kurtz’ Stimmgewalt.
    »Und dieser Araber, Paul, sah sich veranlasst, an Sie heranzutreten«, nahm Kurtz seinen Faden wieder auf. »Will partout mit niemand anders reden. Vertraut Ihnen impulsiv und weigert sich, etwas mit anderen deutschen Regierungsvertretern zu tun zu haben. Umgeht die Ministerien, die Polizei, den Verfassungsschutz. Schlägt im Telefonbuch nach, ruft Sie zu Hause an. Oder in Ihrem Büro. Wie Sie wollen - die Geschichte gehört Ihnen. Und trifft sich hier in diesem Hotel mit Ihnen. Heute abend. Trinkt ein paar Whiskys mit Ihnen. Lässt Sie bezahlen. Und macht Sie beim Whisky mit gewissen Tatsachen vertraut. Der große Alexis - es darf niemand anderes sein. Könnten Sie darin ein vorteilhaftes Vorgehen für jemand sehen, dem man ungerechterweise die Karriere kaputtgemacht hat?«
    Wenn er sich diese Szene später vergegenwärtigte, was Alexis wiederholt im Licht vieler sich widersprechender Stimmungen tun sollte - verwundert, stolz und überwältigt von anarchischem Entsetzen -, betrachtete er die Rede, die jetzt folgte, mehr und mehr als Kurtz’ versteckte vorgezogene Rechtfertigung für das, was er vorhatte.
    »Die Leute in der Terrorszene werden heutzutage immer besser«, beklagte er sich missmutig. »›Setzen Sie einen Agenten ein, Schulmann‹ , schreit mich Misha Gavron halb über seinem Schreibtisch hängend an. ›Wird gemacht, General‹ , sag’ ich zu ihm. ›Ich suche einen Agenten für Sie. Bilde ihn aus, helfe ihm, bekannt zu werden, Aufmerksamkeit bei den richtigen Leuten zu erregen, ihn der Gegenpartei schmackhaft zu machen. Ich mach’, was immer Sie verlangen. Und wissen Sie, was die als allererstes tun?‹ sage ich zu ihm. ›Sie verlangen von ihm den Beweis, dass er es ernst meint. Er soll hingehen und den Wächter einer Bank oder einen amerikanischen Soldaten niederknallen. Oder in einem Restaurant eine Bombe legen. Oder bei jemand einen hübschen Koffer abgeben. Ihn in die Luft jagen. Wollen Sie das? Wollen Sie von mir, dass ich das tue, General - einen Agenten einschleusen, mich dann zurücklehnen und zusehen, wie er unsere Leute für den Gegner umbringt?‹ « Wieder bedachte er Alexis mit dem unglücklichen Lächeln von jemand, der ebenfalls auf Gnade und Ungnade unvernünftigen Vorgesetzten ausgeliefert ist. »Terroristische Organisationen befördern keine Reisenden, Paul. Das habe ich Misha auch gesagt. Die haben keine Sekretärinnen, Tippsen, Kodierer oder irgendwelche Leute in ihren Reihen, die normalerweise geeignet wären, als Agenten angeworben zu werden, ohne gleich in der vordersten Linie zu stehen. Um bei ihnen einzudringen, bedarf es besonderer Methoden. ›Wenn Sie heutzutage die terroristischen Ziele hochgehen lassen wollen‹ , habe ich ihm gesagt, ›müssen Sie praktisch vorher ihren eigenen Terroristen aufbauen.‹ Hört er auf mich?«
    Alexis konnte nicht länger verhehlen, wie fasziniert er war. Er lehnte sich ganz vor, und in seinen Augen leuchtete der gefährliche Schimmer seiner Frage. »Und haben Sie das getan, Marty?« flüsterte er. »Hier in Deutschland? «
    Wie so oft, antwortete Kurtz nicht direkt, und seine slawischen Augen schienen hinter Alexis schon auf das nächste Ziel auf seiner verschlungenen und einsamen Straße gerichtet.
    »Nehmen Sie mal an, ich melde Ihnen einen Zwischenfall, Paul«, schlug er in einem Ton vor, als sei das nur eine ganz vage Möglichkeit unter vielen, die sich seinem nie um einen Einfall verlegenen Kopf anboten. »Und zwar einen, der sich in etwa vier Tagen ereignen dürfte.«
    Das

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