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Die Libelle

Die Libelle

Titel: Die Libelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John le Carré
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es ein Gewitter gegeben, so laut und plötzlich, als ob ein Expresszug das Tal heraufgedonnert wäre. Vom Fenster aus hatte er beobachtet, wie die Stadt unter dem langen und langsamen Angriff der Blitze zusammenzuckte und der Regen auf die schimmernden Kuppeln prasselte. Charlie jedoch hatte so regungslos dagelegen, dass er sich sogar über sie gebeugt und das Ohr an ihren Mund gelegt hatte, um sicherzugehen, dass sie wirklich noch atmete. Er warf einen Blick auf die Uhr. Plane, dachte er. Beweg dich! Mach durch Handeln die Zweifel zunichte. Der Tisch mit dem unberührten Abendessen stand im Fenstererker; die ungeöffnete Champagnerflasche schwamm im Schmelzwasser des Eiskübels. Er benutzte nacheinander beide Gabeln, um das Hummerfleisch aus den Schalen zu kratzen, beschmutzte Teller, rührte die Salate durcheinander, zerdrückte die Erdbeeren und fügte den vielen Fiktionen, die sie bereits durchlebt hatten, eine letzte hinzu: die ihres Gala-Essens in Salzburg. Charlie und Michel feiern Charlies erste erfolgreiche Mission für die Revolution. Er trug die Champagnerflasche ins Badezimmer und schloss die Tür, damit der Knall des Korkens sie nicht weckte. Er leerte den Champagner ins Waschbecken und ließ Wasser nachlaufen; Hummerfleisch, Erdbeeren und Salat spülte er durchs Klo und musste warten und spülte dann noch einmal, weil beim ersten Mal nicht gleich alles verschwunden war. Er ließ so viel Champagner übrig, dass er ein wenig in sein eigenes Glas gießen konnte, und für Charlies Glas holte er den Lippenstift aus ihrer Handtasche und beschmierte den Rand damit, ehe er den Rest der Flasche hineingoss. Dann trat er wieder ans Fenster, wo er einen großen Teil der Nacht verbracht hatte, und starrte hinüber zu den regennassen blauen Bergen. Ich bin ein müder Bergsteiger, dachte er, der die Berge leid ist.
    Er rasierte sich, er zog seinen roten Blazer an. Er trat ans Bett, streckte die Hand aus, um sie zu wecken, und zog sie wieder zurück. Ein Zögern, großer Müdigkeit vergleichbar, bemächtigte sich seiner. Er ließ sich wieder im Lehnstuhl nieder, hatte die Augen geschlossen und zwang sich, sie aufzumachen; zusammenfahrend, wachte er auf und spürte das Gewicht des Wüstentaus, der sich auf seinen Kampfanzug gelegt hatte, hatte den Geruch feuchten Sandes in der Nase, ehe die Sonne ihn trockensengte. »Charlie?« Wieder streckte er die Hand aus, diesmal, um ihr über die Wange zu streichen, doch statt dessen berührte er sie am Arm. Charlie, es ist ein Triumph; Marty sagt, du bist ein Star; du hättest ihn mit einer Reihe von neuen Charakterrollen beschenkt. Er hat seinen Gadi in der Nacht angerufen, doch du bist nicht davon aufgewacht. Besser als die Garbo, sagt er. Es gibt nichts, was wir zusammen nicht erreichen könnten, sagt er. Charlie, wach auf! Wir müssen an die Arbeit. Charlie!
    Doch laut sprach er nur ihren Namen aus, ging dann hinunter, bezahlte die Rechnung und erhielt die letzte Quittung. Durch den Hintereingang ging er hinaus, um den Leih-BMW zu holen, und die Morgenfrühe war so, wie das Abenddämmer gewesen war: frisch und noch immer nicht sommerlich.
    »Du winkst hinter mir her, und dann tust du so, als machtest du einen Spaziergang«, sagte er zu ihr. »Dimitri bringt dich separat nach München.«

Kapitel 14

    Wortlos betrat sie den Aufzug. Es roch nach Desinfektionsmitteln, und die Wandschmierereien waren tief in das graue Vinyl eingegraben. Sie hatte wieder die Robuste herausgekehrt, so, wie sie es bei Demos und talk-ins und allem anderen öffentlichen Quark tat. Sie war erregt und hatte das Gefühl, dass ein Kreis sich nun schließen würde. Dimitri klingelte, Kurtz selbst machte auf. Hinter ihm stand Joseph, und hinter Joseph hing ein Messingschild mit dem Bild des heiligen Christophorus, der ein Kind wiegt. »Charlie, wirklich toll, dass Sie da sind, und Sie sind toll«, sagte Kurtz mit leiser, aber von Herzen kommender Eindringlichkeit und zog sie fest an sich. »Charlie, unglaublich.« »Wo ist er?« fragte sie und blickte an Joseph vorbei auf die geschlossene Tür. Dimitri war nicht mit hereingekommen. Nachdem er sie abgeliefert hatte, hatte er bereits wieder den Aufzug nach unten genommen.
    Kurtz sprach immer noch so, als wären sie in der Kirche, und entschloss sich, auf ihre Frage ganz allgemein einzugehen. »Charlie, es geht ihm recht gut«, versicherte er ihr, als er sie losließ. »Ein bisschen mitgenommen von seinen Reisen, was ja nur natürlich ist, aber gut. Dunkle

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