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Die Libelle

Die Libelle

Titel: Die Libelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John le Carré
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zionistische oder amerikanische Denunziantin zu sein. Solange das Verhör andauerte, war sie von jeder Ausbildung befreit und erhielt Befehl, sich zwischen den einzelnen Sitzungen in ihrer Hütte aufzuhalten, obwohl niemand Anstoß daran zu nehmen schien, als sie anfing, im Lager umherzugehen. Die wechselnden Befragungen waren unter vier von leidenschaftlichem Eifer beseelte junge Araber aufgeteilt, die paarweise arbeiteten und ihr vorbereitete Fragen hinknallten, die sie von Seiten mit handgeschriebenen Notizen ablasen; am wütendsten wurden sie immer dann, wenn sie ihr Englisch nicht verstand. Sie wurde nicht geschlagen, obwohl es vielleicht einfacher gewesen wäre, wenn das passiert wäre, denn dann hätte sie zumindest gewusst, wann sie es ihnen recht machte und wann nicht. Allerdings waren ihre Wutausbrüche auch so schon ganz schön Furcht einflößend; manchmal wechselten sie sich ab, sie anzuschreien, hielten das Gesicht ganz dicht vor dem ihren, besprühten sie mit Speichel und ließen sie mit einer Migräne zurück, die sie ganz krank machte. Ein anderer Trick bestand darin, ihr ein Glas Wasser anzubieten und es ihr ins Gesicht zu schütten, als sie danach griff. Doch als sie das nächste Mal mit ihnen zusammenkam, verlas der Junge, der diesen Auftritt angezettelt hatte, vor seinen drei Kollegen eine schriftliche Entschuldigung und verließ dann tief gedemütigt den Raum.
    Ein andermal drohten sie, sie wegen ihrer erwiesenen Bindung an den Zionismus und die englische Königin zu erschießen. Doch als sie sich trotzdem standhaft weigerte, diese Vergehen einzugestehen, schienen sie das Interesse zu verlieren und erzählten ihr statt dessen stolze Geschichten über ihre Heimatdörfer, die sie nie gesehen hatten, sagten, sie hätten die schönsten Frauen und das beste Olivenöl und den besten Wein in der Welt. Und da wusste sie, dass sie wieder in den Bereich des Normalen zurückgekommen war; und zu Michel.
    Ein riesiger Ventilator drehte sich unter der Decke; an den Wänden hingen graue Vorhänge, die zum Teil Karten verdeckten. Durch das offene Fenster konnte Charlie hören, wie mit Abständen die Bomben in Bubis Übungsstand losgingen. Tayeh hatte sich aufs Sofa gesetzt und ein Bein darauf gelegt. Sein verwüstetes Gesicht sah weiß und krank aus. Charlie stand vor ihm wie ein unartiges kleines Mädchen, die Augen niedergeschlagen und die Zähne vor Wut zusammengebissen. Sie hatte einmal den Versuch gemacht, etwas zu sagen, doch Tayeh hatte sie abblitzen lassen, indem er die Whiskyflasche aus der Tasche zog und sich einen Schluck genehmigte. Er fuhr sich mit dem Handrücken über den Mund, als ob er einen Bart hätte, den er nicht hatte. Er war beherrschter, als sie ihn bisher erlebt hatte, und ihr gegenüber irgendwie weniger unbefangen.
    »Abdul, der Amerikaner«, sagte sie.
    »Ja, und?«
    Sie hatte es vorbereitet. In Gedanken hatte sie es wiederholt geprobt. Das hoch entwickelte revolutionäre Pflichtbewusstsein der Genossin Leila gewinnt die Oberhand über ihr natürliches Widerstreben, einen Mitstreiter anzuschwärzen. Den Text kannte sie auswendig. Sie kannte schließlich die alten Zicken, die ihn auf den Wochenendseminaren gesprochen hatten. Um ihn abzuspulen, hatte sie den Blick von ihm abgewandt und sprach mit harscher, männlicher Wut.
    »Sein richtiger Name ist Halloran. Arthur J. Halloran. Er ist ein Verräter. Er hat mich gebeten, wenn ich von hier wegkomme, den Amerikanern zu sagen, dass er nach Hause möchte und bereit ist, sich einem Gerichtsverfahren zu stellen. Er gibt offen zu, konterrevolutionäre Überzeugungen zu hegen. Er könnte uns alle verraten.«
    Tayehs dunkler Blick hatte sich nicht von ihrem Gesicht gelöst. Er hielt seinen Eschenspazierstock in beiden Händen und tippte mit der Spitze leicht auf den großen Zeh seines schlimmen Beins, wie um ihn wach zu halten.
    »Ist das der Grund, warum Sie mich sprechen wollten?«
    »Ja.«
    »Halloran hat sich schon vor drei Nächten an Sie herangemacht«, meinte er und wandte den Blick von ihr. »Warum haben Sie mir das nicht früher gesagt? Warum drei Tage damit warten?« »Sie waren nicht hier.«
    »Aber doch andere. Warum haben Sie nicht nach mir verlangt?«
    »Ich hatte Angst, Sie würden ihn bestrafen.«
    Doch Tayeh schien nicht davon auszugehen, dass Halloran sich zu verantworten hatte. »Angst«, wiederholte er, als wäre das ein folgenschweres Eingeständnis. » Angst? Warum sollten Sie Angst um Halloran haben? Und das drei Tage

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