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Die Libelle

Die Libelle

Titel: Die Libelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John le Carré
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Zorn, der sich rasch ihrem Publikum mitteilte, egal, ob es Ausbilder oder gleichfalls Rekruten waren. Fast von Anfang an fanden sie sich mit einer gewissen Fremdartigkeit bei ihr ab, die Distanz herstellte. Vielleicht hatten sie das schon bei anderen vor ihr erlebt; Joseph behauptete, das sei so. Die eiskalte Leidenschaftlichkeit, die sie zu den Ausbildungsstunden an den Waffen mitbrachte - bei der es von handgehaltenen russischen Raketenabschussvorrichtungen über Bombenbasteln mit rotem Leitungsdraht und Zündern bis zur unvermeidlichen Kalaschnikow ging - machte sogar auf den überschwenglichen Bubi Eindruck. Sie war der Sache ergeben, aber sie stand für sich allein. Allmählich spürte sie, wie sie bei ihr nachgaben. Die Männer, sogar die Angehörigen der syrischen Miliz, hörten auf, ihr wahllos Anträge zu machen; die Frauen gaben es auf, sie wegen ihres hinreißenden Aussehens für verdächtig zu halten; die schwächeren Genossen fingen schüchtern an, sich um sie zu scharen, und die Starken erkannten sie als ebenbürtig an. In ihrem Schlafsaal standen drei Betten, doch hatte sie zunächst mal nur eine Zimmergenossin - eine winzige Japanerin, die viel Zeit damit verbrachte, im Gebet zu knien, mit ihren Mitmenschen jedoch kein Wort in irgendeiner Sprache außer ihrer eigenen wechselte. Im Schlaf knirschte sie dermaßen laut mit den Zähnen, dass Charlie sie eines Nachts weckte, dann neben ihr saß und ihre Hand hielt, während sie schweigende asiatische Tränen vergoss, bis die Musik zu plärren begann und es Zeit war aufzustehen. Bald danach verschwand auch sie ohne jede Erklärung und wurde von zwei algerischen Schwestern ersetzt, die muffige Zigaretten rauchten und von Bomben und Gewehren genauso viel Ahnung zu haben schienen wie Bubi. In Charlies Augen waren es ganz einfache Mädchen, doch die Ausbilder brachten ihnen wegen irgendeiner bewaffneten Heldentat den Aggressoren gegenüber größte Hochachtung entgegen. Morgens sah man sie in ihren wollenen Trainingsanzügen verschlafen aus den Quartieren der Ausbilder herausschlendern, wenn weniger Begünstigte ihre Ausbildung im waffenlosen Kampf beendeten. Auf diese Weise hatte Charlie ihren Schlafraum für eine Weile für sich allein, und obwohl eines Nachts - geschrubbt und gebürstet wie ein Chorknabe - Fidel, der sanfte Kubaner, erschien, um ihr seine revolutionäre Liebe anzutragen, verharrte sie in verkrampfter Selbstverleugnung bei ihrer Pose und gewährte ihm nicht einmal einen Kuss, ehe sie ihn fortschickte.
    Der nächste, der nach Fidel versuchte, ihre Gunst zu erringen, war Abdul, der Amerikaner. Er stattete ihr eines Abends spät noch einen Besuch ab und klopfte so leise, dass sie schon erwartete, eine von den Algerierinnen zu sehen, die beide regelmäßig ihren Schlüssel vergaßen. Inzwischen war Charlie zu der Überzeugung gelangt, dass Abdul ein fester und dauernder Bestandteil des Lagers war. Er war den Ausbildern zu nahe, genoss zuviel Freiheit und hatte nichts weiter zu tun, als in einem gedehnten Südstaaten-Akzent, bei dem Charlie argwöhnte, dass er aufgesetzt war, langweilige Vorträge zu halten und Marighella zu zitieren. Fidel, der ihn bewunderte, sagte, er sei ein Vietnam-Deserteur, der den Imperialismus hasse und über Kuba hierher gekommen sei.
    »Hallo«, sagte Abdul und schlüpfte grinsend herein, ehe sie ihm die Tür vor der Nase hatte zuknallen können. Er setzte sich auf ihr Bett und fing an, sich eine Zigarette zu drehen.
    »Hau ab«, sagte sie. »Zieh Leine.«
    »Klar«, sagte er und drehte seine Zigarette weiter. Er war groß, sein Haar lichtete sich, war von nahem betrachtet sehr dünn. Er trug kubanisches Drillich-Zeug und einen seidigen braunen Bart, dem die Haare ausgegangen zu sein schienen.
    »Wie heißt du richtig?« fragte er.
    »Smith, Leila.«
    »Das gefällt mir. Smith .« Er wiederholte den Namen etliche Male in immer anderer Tonart. »Kommst du aus Irland, Smith?« Er steckte die Zigarette an und bot ihr einen Zug an. Sie ging nicht darauf ein.
    »Soviel ich gehört hab’, bist du persönliches Eigentum von Mr. Tayeh. Ich bewundere deinen Geschmack. Tayeh ist sehr wählerisch. Was machst du so beruflich, Smith?«
    Mit energischen Schritten ging sie zur Tür und riss sie auf, doch er blieb ungerührt auf dem Bett sitzen und sah sie auf eine kraftlose, aber wissende Weise durch den Rauch hindurch an.
    »Keine Lust zu bumsen?« wollte er wissen. »Schade. Diese Fräuleins sind wie die Elefantenbabys vom Zirkus

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