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Die Libelle

Die Libelle

Titel: Die Libelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John le Carré
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Zwang antun.«
    Sie wollte einen haben, und so schenkte er ihr ein, viel zuviel. »Möchtest du rauchen?«
    Er reichte ihr ein ledernes Etui und zündete ihr die Zigarette an. Es wurde heller im Zimmer; flugs wanderte ihr Blick zum Fernseher und starrte geradewegs in die aufgeregten, äußerst ausdrucksvollen Züge des wieselhaften kleinen Deutschen, den sie vor noch nicht einer Stunde an Martys Seite gesehen hatte. Er war neben einem Polizeiwagen postiert. Hinter ihm konnte sie ein Stück Trottoir und den Seiteneingang des Vorlesungsgebäudes sehen, beides war mit fluoreszierendem Band abgesperrt. Mannschaftswagen der Polizei, Feuerwehrautos und Krankenwagen fuhren geschäftig in den abgesperrten Bereich hinein und wieder heraus. Terror ist Theater, dachte sie. Der Hintergrund änderte sich, eine grüne Zeltplane, die aufgespannt war, um das Wetter abzuhalten, während die Suche weiterging. Khalil drehte den Ton auf, und sie hörte das Heulen der Krankenwagen hinter der glatten, schönmodulierten Stimme von Alexis.
    »Was sagt er?« fragte sie.
    »Er leitet die Untersuchung. Warte. Ich sage es dir gleich!«
    Alexis verschwand, statt dessen eine Studioaufnahme des völlig unversehrten Oberhausers.
    »Das ist der Trottel, der mir die Tür aufgemacht hat«, sagte sie. Khalil hob die Hand und gebot ihr damit Schweigen. Sie hörte zu und begriff mit einer unbeteiligten Neugier, dass er eine Personenbeschreibung von ihr abgab. Sie bekam das Wort Südafrika mit, verstand etwas von braunem Haar; sah, wie er die Hand hob, um ihre Brille zu beschreiben; die Kamera schwenkte zu einem zitternden Finger, der auf eine ähnliche Brille zeigte wie die, die Tayeh ihr gegeben hatte.
    Nach Oberhauser kam der erste Eindruck eines Zeichners von der Verdächtigen, die so aussah wie kein Mensch auf Erden, höchstens wie die alte Reklame für ein flüssiges Abführmittel, die vor zehn Jahren groß auf Bahnhöfen plakatiert worden war. Danach kam einer der beiden Polizeibeamten, die mit ihr gesprochen hatten; auch er gab verschämt seine Beschreibung der Täterin ab. Khalil schaltete den Apparat ab, drehte sich um und stand wieder vor ihr.
    »Du erlaubst?« fragte er scheu. Sie nahm ihre Handtasche und legte sie auf die andere Seite, damit er sich hinsetzen konnte. Summte es? Oder piepste es? War es ein Mikrophon? Was zum Teufel machte es?
    Khalil sprach sehr deutlich - der erfahrene Praktiker, der seine Diagnose stellt.
    »Du bist ein bisschen in Gefahr«, sagte er. »Mr. Oberhauser erinnert sich an dich, seine Frau auch, und die Polizisten und ein paar Leute im Hotel. Deine Größe, deine Figur, dein Englisch, dein schauspielerisches Talent. Außerdem war da leider eine Engländerin, die einen Teil deiner Unterhaltung mit Minkel mit angehört hat und meinte, du seiest keineswegs Südafrikanerin, sondern Engländerin. Deine Personenbeschreibung ist nach London gegangen, und wir wissen, dass die Engländer dich bereits seit längerem in Verdacht haben. Die ganze Gegend hier ist in höchster Alarmbereitschaft: Straßensperren, Stichproben, alle treten sich gegenseitig auf die Füße. Aber mach dir keine Sorgen.« Er nahm ihre Hand und hielt sie fest. »Ich werde dich mit meinem Leben beschützen. Heute nacht sind wir sicher. Morgen werden wir dich nach Berlin schmuggeln und nach Hause schicken.«
    »Nach Hause«, sagte sie.
    »Du bist eine von uns. Du bist unsere Schwester. Fatmeh sagt, du bist unsere Schwester. Du hast kein Zuhause, aber du gehörst zu einer großen Familie. Wir können dir eine neue Identität verschaffen, oder du gehst zu Fatmeh und bleibst bei ihr, solange du willst. Obwohl du nie wieder kämpfst, werden wir uns um dich kümmern. Wegen Michel. Wegen dem, was du für uns getan hast.«
    Seine Redlichkeit war erschreckend. Ihre Hand ruhte noch in der seinen, seine Berührung war kraftvoll und beruhigend. Seine Augen leuchteten vor Besitzerstolz auf. Sie stand auf, nahm ihre Tasche und verließ das Zimmer. Ein Doppelbett, der Heizofen voll aufgedreht, egal, was es kostet. Ein Bücherbord mit Bestsellern von Nirgendwo: Ich bin okay, du bist okay. Freude am Sex . Das Bad lag dahinter: fichtenholzgetäfelt, Sauna nebenan. Sie nahm den Radiowecker heraus und betrachtete ihn, und es war ihr alter, bis auf den letzten Kratzer: höchstens ein bisschen schwerer, gewichtiger in der Hand. Warte, bis er schläft. Bis ich schlafe. Sie sah sich an. So schlecht hatte der Zeichner sie gar nicht mal getroffen. Ein Land ohne Volk für ein

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