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Die Libelle

Die Libelle

Titel: Die Libelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John le Carré
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kommen die türkischen Hoheitszeichen, die man auf einem Anschlagbrett angebracht hatte, dann eine Brücke über einen trägen grünen Wasserlauf, dann eine nervöse kleine Schlange vor dem Büro der türkischen Pass- und Auswanderungsbehörde, die Yanuka mit Hilfe seines Diplomatenpasses zu umgehen suchte; das gelang ihm auch, trug freilich nur dazu bei, seinen eigenen Untergang zu beschleunigen. Dann folgt - eingezwängt zwischen der türkischen Polizeistation und den griechischen Wachposten -ein etwa zwanzig Schritt breiter Streifen Niemandsland, wo Yanuka sich eine Flasche zollfreien Wodka kaufte und in dem Cafe unter den Augen eines verträumt aussehenden, langhaarigen Burschen namens Reuven, der die letzten drei Stunden dort ein Brötchen nach dem anderen verzehrt hatte, ein Eis aß. Die letzte bombastische türkische Darbietung ist eine Bronzebüste von Kemal Atatürk, dem Visionär und décadent , der böse zu den feindseligen griechischen Ebenen hinüberfunkelt. Sobald Yanuka dieses Monument hinter sich hatte, sprang Reuven auf sein Motorrad und übermittelte ein aus - jedoch außerhalb des Militärbereiches - an einer Stelle wartete, wo der Verkehr wegen Straßenarbeiten auf Schritttempo heruntergehen musste. Dann beeilte er sich, um den Spaß mitzuerleben.
    Sie benutzten ein Mädchen, was in Anbetracht von Yanukas nachgewiesenen Neigungen nur vernünftig war, und staffierten sie mit einer Gitarre aus; es war ein hübsches Detail, denn heutzutage ist ja eine Gitarre ein Freibrief für jedes Mädchen, auch wenn sie nicht darauf spielen kann. Die Gitarre ist die Uniform einer gewissen seelenvollen Friedfertigkeit, wie sie kürzlich an einem anderen Ort genau beobachten konnten. Sie hatten sich den Mund fusselig darüber geredet, ob sie ein blondes oder ein brünettes Mädchen nehmen sollten, da sie seine Vorliebe für Blondinen kannten, ihnen aber auch klar war, dass er stets bereit war, eine Ausnahme zu machen. Zuletzt entschieden sie sich für das dunkelhaarige Mädchen, und zwar weil sie einen ansprechenden Rücken und einen aufreizenden Gang hatte, und postierten sie dort, wo die Straßenarbeiten zu Ende waren. Die Baustelle war ein Gottesgeschenk. Daran glaubten sie fest. Einige von ihnen glaubten sogar, dass Gott -der jüdische - und nicht Kurtz oder Litvak bei all ihrem Glück die Hand im Spiel hatte. Der erste Teil der Strecke war asphaltiert; er ging ohne Warnung in groben blauen Schotter über, der so groß wie Golfbälle, aber sehr viel schartiger war. Dann kam die Holzbarriere mit einer Reihe gelb aufblinkender Warnlichter darauf; dort betrug die Geschwindigkeitsbeschränkung zehn Stundenkilometer, doch nur ein Irrer wäre schneller gefahren. Hinter der Holzabsperrung kam dann das Mädchen, das auf dem Fußweg ging. Geh einfach weiter, sagten sie; nicht rumhängen, sondern immer mit dem linken Daumen nach vorn zeigen. Ihre einzige Sorge war, dass, weil das Mädchen so hübsch war, sie bei dem falschen Mann landete, ehe Yanuka erschien, um sie sich zu holen. Besonders hilfreich war, wie sich an der Stelle der spärliche Verkehr vorübergehend durch eine Spurgabelung teilte. Zwischen der nach Osten und der nach Westen führenden Fahrbahn erstreckte sich ein etwa fünfzig Schritt breiter Ödlandstreifen mit Bauhütten, Traktoren und allem möglichen Gerät darauf. Sie hätten dort ein ganzes Regiment verstecken können, ohne dass eine Menschenseele etwas gemerkt hätte. Nicht, dass sie Regimentsstärke gehabt hätten. Die Einsatzgruppe bestand aus sieben Leuten, Shimon Litvak und der Lockvogel eingeschlossen. Gavron, die Krähe, hatte keinen Penny mehr lockermachen wollen. Die anderen fünf waren leichtgekleidete junge Leute in sommerlichem Aufzug und Turnschuhen, Typen, die den ganzen Tag lang ihre Fingernägel betrachten können, ohne dass jemand auf den Gedanken käme, sie zu fragen, warum sie nicht redeten. Die dann wie Hechte blitzschnell losschießen können, ehe sie wieder zu ihren lethargischen Betrachtungen zurückkehren. Es war inzwischen später Vormittag; die Sonne stand hoch, die Luft war voller Staub. Der übrige Verkehr bestand aus grauen, mit irgendwelchem Lehm oder Ton beladenen Lastern. Der blitzende weinrote Mercedes - nicht mehr neu, aber immer noch sehr schmuck - fiel in dieser Gesellschaft auf wie ein Hochzeitswagen, der zwischen Müllautos eingezwängt daherkommt. Mit dreißig Stundenkilometern traf er auf den blauen Schotter, was natürlich viel zu schnell war, bremste dann

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