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Die Libelle

Die Libelle

Titel: Die Libelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John le Carré
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zweitens war da noch Gavrons Drohung, falls kein Fortschritt gemacht werde, sei es ihm nicht länger möglich, den immer lauter werdenden Ruf nach einer militärischen Lösung zurückzuhalten. Davor hatte Kurtz Angst.
    »Sie reden mir ins Gewissen wie die Engländer!« hatte Gavron, die Krähe, ihn während einer ihrer häufigen Auseinandersetzungen angeschrieen. »Sehen Sie sich doch mal an, was die alles auf dem Kerbholz haben!«
    »Dann sollten wir vielleicht auch die Engländer bombardieren«, meinte Kurtz mit einem wütenden Lächeln.
    Doch dass das Thema Engländer aufgekommen war, konnte inzwischen kein Zufall mehr sein; denn ironischerweise hatte Kurtz ausgerechnet auf England ein Auge geworfen, um sich zu retten.

Kapitel 3

    Joseph und Charlie wurden einander auf der Insel Mykonos förmlich vorgestellt, an einem Strand mit zwei Tavernen, bei einem späten Mittagessen in der zweiten Augusthälfte und etwa um die Zeit, wenn die griechische Sonne am erbarmungslosesten herab brennt. Oder im Rahmen bedeutenderer politischer Ereignisse: vier Wochen nachdem israelische Flugzeuge das überfüllte Palästinenserviertel von Beirut bombardiert hatten, um, wie es hinterher hieß, die palästinensische Führung zu zerschlagen, obwohl sich keine Anführer unter den mehreren hundert Toten befanden - es sei denn, es handelte sich um die Anführer von morgen, denn es waren viele Kinder darunter.
    »Charlie, sag Joseph guten Tag«, sagte jemand aufgeregt, und damit war es geschehen.
    Dennoch benahmen sich beide, als ob die Vorstellung gar nicht stattgefunden hätte: sie, indem sie ihr revolutionäres Stirnrunzeln aufsetzte und wie ein englisches Schulmädchen die Hand zu einem zugleich verworfen und hochanständig anmutenden Händeschütteln ausstreckte, und er, indem er sie seltsamerweise ohne besondere Absicht mit einem gelassenen und abschätzenden Blick bedachte.
    »Tag, Charlie.« So war eigentlich er es und nicht Charlie, der guten Tag sagte.
    Ihr fiel auf, dass er die affektierte Art von Offizieren hatte, unmittelbar vorm Sprechen die Lippen zu spitzen. Seine Stimme klang ausländisch und sehr beherrscht und hatte etwas entmutigend Sanftes - Charlie war sich mehr all dessen bewusst, was vorenthalten als was gegeben wurde. Seine Haltung ihr gegenüber war also das Gegenteil von Aggressivität. Eigentlich hieß sie Charmian, war jedoch allen unter dem Namen ›Charlie‹ oder auch die ›Rote Charlie‹ bekannt, eine Anspielung auf ihre Haarfarbe wie auch auf ihre irgendwie verrückten radikalen Einstellungen, die ihre Art waren, die Menschheit zu lieben und mit den Ungerechtigkeiten in der Welt zurechtzukommen. Sie war die Außenseiterin in einer Gruppe von lebenslustigen jungen englischen Schauspielern, die alle demselben Ensemble angehörten, in einem baufälligen Bauernhaus schliefen, das einen Kilometer weiter landeinwärts lag, und die wie eine buntscheckige, eng zusammengehörende Familie, die nie auseinanderbrach, zum Strand herunterkamen. Wie sie zu dem Bauernhaus, ja, wie sie überhaupt auf die Insel gekommen waren, das war für sie alle ein Wunder, obwohl Wunder für sie als Schauspieler keineswegs überraschend waren. Ihr Wohltäter war eine große Londoner Firma, die wie aus heiterem Himmel auf die Idee gekommen war, den gütigen Engel für ihre Wanderbühne zu spielen. Nachdem ihre Tournee durch die Provinz zu Ende gewesen war, hatte der aus einem halben Dutzend Leuten bestehende Kern des Ensembles zu seinem Erstaunen festgestellt, dass man sie auf Kosten des Unternehmens Urlaub machen und sich erholen ließ. Eine Chartermaschine hatte sie nach Griechenland verfrachtet, das Bauernhaus hatte zum Empfang bereitgestanden, und die Frage des Taschengeldes war durch eine bescheidene Verlängerung ihrer Verträge geregelt worden. Zu freundlich, zu großzügig, zu plötzlich und zu lange her. Nur ein Pack von Faschistenschweinen - das war einhellig ihre freudige Meinung gewesen, als sie die Einladungen erhalten hatten - konnte so entwaffnend menschenfreundlich handeln. Danach hatten sie vergessen, wie sie hierhergekommen waren, bis der eine oder andere von ihnen verschlafen das Glas hob, verdrossen und halbherzig den Namen des Unternehmens murmelte und einen Toast ausbrachte.
    Charlie war nicht das hübscheste von den Mädchen, ganz und gar nicht, obwohl ihre Sinnlichkeit ebenso durchschimmerte wie ihr unverbesserlicher guter Wille, den sie bei aller Radikalität nie ganz verhehlen konnte. Lucy war zwar dumm, sah

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