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Die Libelle

Die Libelle

Titel: Die Libelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John le Carré
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lachend. »Wenn sie in einer Sonntags-Matinee für alte Leute die Helena von Troja spielen?«
    »Ich meine das ernst. Sag mir, wie du darüber denkst.« »Übers Theater?« »Über seinen Nutzen.«
    Durch seinen Ernst geriet sie aus der Fassung. Es hing zu viel von ihrer Antwort ab.
    »Nun, ich finde auch«, sagte sie unbeholfen, »das Theater sollte etwas nützen. Es sollte die Menschen dazu bringen, Anteil zu nehmen und mitzufühlen. Es sollte - nun ja, das Bewusstsein der Menschen wecken.«
    »Also wirklich sein? Bist du sicher?«
    »Sicher bin ich sicher.«
    »Nun denn«, sagte er, als ob sie ihm in dem Fall keinen Vorwurf machen dürfe.
    »Nun denn«, wiederholte sie fröhlich wie ein Echo.
    Wir sind wahnsinnig, zu diesem Schluss kam sie. Sind belfernde, meldepflichtige Irre, alle beide. Der Polizist grüßte sie auf ihrem Weg zurück zur Erde.
    Zuerst dachte sie, er wollte ihr einen üblen Streich spielen. Bis auf den Mercedes war die Straße leer, und der Mercedes stand ganz allein darauf. Auf einer Bank nicht weit davon entfernt saß ein knutschendes Pärchen; sonst war weit und breit kein Mensch zu sehen. Der Wagen war dunkel, aber nicht schwarz. Er war dicht neben dem Grasstreifen geparkt und das Nummernschild vorn nicht zu sehen. Solange sie Auto fahren konnte, hatte sie etwas für Mercedes übrig gehabt; seiner Kompaktheit nach musste es sich um eine Sonderanfertigung handeln und mit den Antennen und Chromleisten um irgendjemands Spezialspielzeug mit sämtlichen Extras. Er hatte sie untergehakt, und erst, als sie fast neben der Fahrertür standen, ging ihr auf, dass er sich anschickte, die Tür zu öffnen. Sie sah, wie er den Schlüssel ins Schloss steckte und sämtliche vier Verriegelungen gleichzeitig hochgingen, und ehe sie sich versah, führte er sie um den Wagen herum zur Beifahrertür, und sie fragte ihn, was, zum Teufel, denn eigentlich vorgehe.
    »Gefällt er dir nicht?« fragte er mit einer unwirklichen Leichtfertigkeit, die sie augenblicklich misstrauisch machte. »Soll ich einen anderen kommen lassen? Ich dachte, du hättest eine Schwäche für schöne Autos.«
    »Soll das heißen, dass es ein Leihwagen ist?«
    »Nicht das, was du darunter verstehst. Aber jemand hat ihn uns für unsere Reise geliehen.«
    Er hielt ihr den Schlag auf. Sie stieg nicht ein. »Wer hat ihn dir geliehen?« »Ein gütiger Freund.« »Wie heißt er?«
    »Charlie, nun sei doch nicht albern. Herbert. Karl. Was bedeutet schon ein Name? Würdest du die egalitären Unbequemlichkeiten eines griechischen Fiats vorziehen?«
    »Wo ist mein Gepäck?«
    »Im Kofferraum. Dimitri hat es dort auf meine Anweisung hin verstaut. Möchtest du nachsehen und dich überzeugen?«
    »Ich fahre nicht mit dem Ding, das ist verrückt.« Sie stieg trotzdem ein, und im Nu saß er neben ihr und ließ den Motor an. Er trug Autohandschuhe aus schwarzem Leder mit Luftlöchern auf dem Handrücken. Er musste sie in der Tasche gehabt und beim Einsteigen übergestreift haben. Das Gold um seine Handgelenke stach leuchtend von ihnen ab. Er fuhr schnell und gewandt. Auch das mochte sie nicht - so fuhr man nicht die Autos seiner Freunde. Ihre Tür war versperrt. Er hatte sie alle wieder mit dem zentralen Verriegelungsschalter gesichert. Er hatte das Radio angemacht; es spielte wehmütige griechische Musik. »Und wie mach’ ich das Scheißfenster auf?« fragte sie. Er drückte auf einen Knopf, und der warme Nachtwind fuhr über sie dahin und brachte den Duft von Harz mit. Doch er ließ das Fenster nur ein paar Fingerbreit herunter.
    »So was machen wir öfter, nicht wahr?« fragte sie laut. »Eine von unseren kleinen Extravaganzen, ja? Damen mit doppelter Schallgeschwindigkeit an unbekannte Ziele bringen?«
    Keine Antwort. Er schaute angestrengt geradeaus. Wer ist er? Bei meiner Treu - wie ihre Scheiß-Mutter sagen würde -, wer ist er? Das Wageninnere füllte sich mit Licht. Sie fuhr herum und sah durch die Heckscheibe knapp hundert Meter hinter ihnen zwei Scheinwerfer, die weder näher kamen noch zurückfielen.
    »Sind das unsere oder ihre?« wollte sie wissen.
    Sie wollte sich gerade wieder bequem hinsetzen, als ihr aufging, was ihr sonst noch ins Auge gefallen war. Ein roter Blazer, der auf dem Rücksitz lag, Messingknöpfe wie die Messingknöpfe in Nottingham und York: und - sie hätte jede Wette gemacht - mit einem Hauch zwanziger Jahre im Schnitt. Sie bat ihn um eine Zigarette.
    »Warum siehst du nicht im Handschuhfach nach?« sagte er, ohne den Kopf

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