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Die Libelle

Die Libelle

Titel: Die Libelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John le Carré
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Sie nicht zu bemerken, wie viele Demokraten ihre Freiheit im Freien vor den Restaurants genießen. Zu unserer Linken sehen Sie das Olympieion und das Hadrianstor. Ehe Sie auf falsche Gedanken kommen, muss ich Sie freilich darauf aufmerksam machen, dass es sich um einen anderen Hadrian handelt als den, der Ihren berühmten Wall gebaut hat. Bei dem Athener handelt es sich um einen wesentlich phantasievolleren Mann, finden Sie nicht auch? Künstlerischer, würde ich sagen.«
    »Viel künstlerischer«, sagte sie.
    Nun reiß dich doch endlich zusammen, sagte sie sich zornig. Lass alle Bedenken fahren. Es ist eine Gratisreise, ein neuer toller Mann, das antike Griechenland, und es nennt sich Spaß . Sie fuhren langsamer. Zu ihrer Rechten sah sie kurz ein paar Ruinen, doch gleich darauf waren sie wieder hinter hohen Büschen verborgen. Sie kamen zu einem Kreisverkehr, rollten langsam einen gepflasterten Hügel hinauf und hielten dann. Joseph sprang raus, hielt ihr den Wagenschlag auf, ergriff ihre Hand und führte sie schnell, verschwörerisch fast, eine schmale Steintreppe zwischen überhängenden Bäumen hinauf. »Wir sprechen nur im Flüsterton, und dann auch nur einen höchst komplizierten Code«, warnte er sie leise murmelnd wie auf der Bühne, und sie erwiderte etwas ähnlich Bedeutungsloses. Sein Griff war wie ein Stromstoß. Ihre Finger schienen bei seiner Berührung zu brennen. Sie folgten einem Waldpfad, mal gepflastert, mal trockene Erde, doch die ganze Zeit über ging es bergauf. Der Mond war verschwunden, und es war sehr dunkel, doch Joseph stürmte unbeirrt vor ihr her, als wäre es hellichter Tag. Einmal ging es über eine Steinbrücke, einmal über einen wesentlich breiteren Weg, doch er war nicht der Mann, der die leichteren Pfade einschlug. Die Bäume lichteten sich, und zu ihrer Rechten sah sie die Lichter der Stadt bereits tief unter sich. Zu ihrer Linken, immer noch weit oben, stand eine Art Bergspitze schwarz vor dem orangefarbenen Horizont. Sie hörte Schritte hinter sich und Lachen, aber es waren nur zwei junge Leute, die über etwas kicherten.
    »Du hast doch nichts gegen einen Fußmarsch?« fragte er sie, ohne im Tempo nachzulassen.
    »Und ob!« antwortete sie.
    Eine Josephs-Pause.
    »Möchtest du, dass ich dich trage?«
    »Ja.«
    »Leider hab’ ich eine Muskelzerrung im Rücken.«
    »Hab’ ich gesehen«, sagte sie und packte seine Hand fester. Sie schaute wieder nach rechts und erkannte etwas, das aussah wie die Ruinen einer alten englischen Mühle, ein Bogenfenster über dem anderen und dahinter die erleuchtete Stadt. Sie schaute nach links, und die Bergspitze war zu den schwarzen rechteckigen Umrissen eines Gebäudes geworden, bei dem am einen Ende so etwas wie ein Schornstein aufzuragen schien. Dann waren sie wieder unter Bäumen mit dem ohrenbetäubenden Zirpen der Zikaden und dem Geruch der Tannen, der so stark war, dass ihre Augen anfingen zu brennen. »Es ist ein Zelt«, flüsterte sie und bat ihn dann, einen Augenblick stehenzubleiben. »Stimmt’s? Sex auf dem Süd-Pass. Wie hast du meine geheimsten Gelüste erraten?«
    Aber er schritt kraftvoll vor ihr her. Sie war außer Atem, aber wenn ihr danach war, konnte sie einen ganzen Tag lang laufen; folglich musste ihre Atemnot von etwas anderem kommen. Sie hatten einen breiten Weg erreicht. Vor ihnen standen zwei graue Gestalten in Uniform vor einer kleinen Steinhütte Wache, auf der im Inneren eines Drahtkäfigs eine Glühbirne brannte. Joseph ging auf die Männer zu, und sie hörte, wie sie leise zurückgrüßten. Die Hütte stand zwischen zwei Eisentoren. Hinter dem einen lag wieder die Stadt, jetzt ein fernes Meer blinkender Lichter; doch hinter dem anderen herrschte nur pechschwarze Dunkelheit, und in dieses Dunkel sollten sie eingelassen werden, denn sie hörte das Klirren von Schlüsseln und das Knirschen von Eisen, als der Torflügel sich langsam in den Angeln drehte. Einen Moment packte sie Panik. Was mache ich hier? Wo bin ich? Mach, dass du wegkommst, Schwachkopf, mach, dass du wegkommst! Bei den beiden Männern handelte es sich um städtische Angestellte oder Polizisten, und sie schloss aus ihrer Einfältigkeit, dass Joseph sie bestochen hatte. Sie sahen alle auf die Uhr, und als er das Handgelenk hob, sah sie einen Schimmer von seinem auffälligen cremefarbenen Hemd und den Manschettenknöpfen. Jetzt winkte Joseph sie vorwärts. Sie warf einen Blick zurück und sah zwei Mädchen unter ihr auf dem Weg stehen und heraufblicken.

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