Die lichten Reiche: Band 1: Harfe und Schwert (German Edition)
Palast kamen, desto aufgeregter wurde sie. Ob sie wohl einen Elfen zu Gesicht bekommen würde? Crystal wusste, dass die Chance wohl eher gering war, aber man durfte ja wohl noch träumen. Der Talosreiter hielt sein Pferd schließlich vor einem der riesigen Tore an und wartete, bis sie zu ihm aufgeschlossen hatte. Auf sein Zeichen hin wurden sie eingelassen und ritten gemeinsam weiter. Crystal fühlte sich wie in eine andere Welt versetzt. Die Geräusche der Stadt drangen nur gedämpft durch das Tor, das hinter ihnen wieder geschlossen wurde. Sie wusste nicht, was sie erwartet hatte, doch bestimmt nicht den Anblick, der sich ihr nun bot. Bäume wuchsen hier und der Boden unter den Hufen ihrer Stute war mit Gras bedeckt. Hätte sie nicht gewusst, dass sie sich mitten in einer Stadt befanden, sie hätte es nicht geglaubt. In der Ferne sah sie ein weiteres Tor und dahinter die Türme des Palastes. In dem Bereich, in dem sie sich jetzt befanden, standen schöne, weißgetünchte Häuser, die jedoch zu einfach wirkten um zum Palast zu gehören. Vor den Häusern standen Frauen, die miteinander tratschten, Wäsche auf Leinen spannten oder sich um ihre Kinder kümmerten. Vereinzelt sah Crystal auch Talosreiter, die in ihren wehenden Umhängen geschäftig ihrer Arbeit nachgingen. Nur langsam begriff sie, dass das Gelände des Palastes noch um ein Vielfaches größer war, als es von draußen den Anschein hatte.
Ihr Begleiter musste ihren staunenden Blick bemerkt haben, denn er meinte: „Wir befinden uns jetzt im äußeren Ring der Menschen; unser Ziel ist der zweite Ring.“ Damit trieb er sein Pferd weiter und überließ es Crystal, ihm – nicht weniger verwirrt als zuvor – zu folgen. Er ritt auf das Tor zu, das Crystal vorhin schon bemerkt hatte. Diesmal ließen ihn die Wachen nicht so einfach passieren. Er hielt sein Pferd an und legte die Hand an die Stirn. Crystal erkannte den Gruß der Talosreiter und sah, wie ihn der Wachmann erwiderte. Auch er trug den Umhang der Botenreiter des Elfenkönigs, doch war sein Umhang mit einer prächtigen goldenen Borte eingefasst.
„ Ich habe den Befehl Lady Crystal Trenmain, Baronin von Kornthal, in den zweiten Ring zu bringen.“
Der Mann mit dem prächtigen Umhang nickte bestätigend. „Wir haben Euch bereits erwartet, Lady Crystal.“
Abermals passierten sie eines der mächtigen Palasttore und wieder fand sich Crystal einer wundersamen Täuschung unterlegen. Sobald sie durch das Tor geritten war, schienen die Türme des Palastes in noch weitere Ferne gerückt zu sein und das Gelände des zweiten Ringes schien riesig. Crystal sah, dass es hier keine Frauen und Kinder mehr gab. Das ganze Gelände lag seltsam ruhig vor ihren Augen. „Nur wenige Menschen, die nicht im Dienst des Königs stehen, bekommen den zweiten Ring zu Gesicht“, meinte ihr sonst so schweigsamer Begleiter plötzlich und musterte sie interessiert. Mit einem Mal begriff Crystal, dass er genauso wenig wusste, warum man sie herbestellt hatte, wie sie selbst. Aus irgendeinem Grund gefiel ihr diese Erkenntnis und sie fühlte sich nicht mehr ganz wie ein ahnungsloser Dummkopf. Crystal beschloss, das Beste aus der Gelegenheit zu machen und sich, wenn sie schon mal hier war, alles ganz genau einzuprägen. Wenigstens hätte sie Joy eine Menge zu erzählen, wenn sie in ein paar Tagen wieder zuhause wäre. Ihr Führer ritt zielstrebig auf das größte Gebäude dieses Ringes zu. Ein einstöckiges Haus mit runden Fenstern, vor dessen Tür mehrere Männer warteten. Sobald sie angehalten hatte, wurden ihr schon die Zügel abgenommen und ihr wurde aus dem Sattel geholfen.
Ein fremder Mann führte sie ins Haus. „Wenn Ihr Euch noch schnell frisch machen wollt, dann habt Ihr hier die Möglichkeit.“ Crystal nickte dankbar und verschwand in den Raum, auf den der Mann gezeigt hatte. Jemand hatte Speisen und einen Krug Wasser bereitgestellt, doch Crystal war zu nervös um an Essen zu denken. Für das Waschbecken und das Tuch, das man bereitgelegt hatte, war sie jedoch dankbar. Sie spritzte sich kühles Wasser ins Gesicht und wischte den Schmutz und Staub der Reise von ihrem Gesicht. Mit bebenden Fingern versuchte sie die schlimmsten Falten aus ihrem dunkelgrünen Überkleid zu streifen. Sie hatte ein besonders hübsches Kleid gewählt, da sie gewusst hatte, dass sie heute das Ziel ihrer Reise erreichen würden, doch leider hatte das Gewand den Ritt hierher nicht schadlos überstanden. Die feine Goldstickerei war zerdrückt und
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