Die lichten Reiche: Band 1: Harfe und Schwert (German Edition)
doch solange er nur gehen durfte, wollte er gerne ein paar Wochen lang das Kindermädchen für eine junge und mit Bestimmtheit schrecklich verwöhnte Adelige spielen.
Doch sie hatte sich Zeit gelassen. Den dritten Tag wartete er nun darauf, dass sie endlich kam und mittlerweile hatte er einen ziemlichen Groll gegen die unbekannte Dame entwickelt. Vor einer Stunde hatte ihn die Nachricht erreicht, dass sie gerade bei den Dreien sei und dass er sich bereithalten solle; seitdem saß er wie auf Nadeln. Endlich öffnete sich die Tür und ein Talosreiter bat ihn in die Halle, die er vor wenigen Tagen zum ersten Mal gesehen hatte. Die Drei erwarteten ihn. Vor ihnen stand eine schlanke, ziemlich hochgewachsene Frau, die das rote Haar ordentlich aufgesteckt hatte und in ihrem grünen Kleid ganz ansehnlich war. Sie wandte sich ihm zu und ihre Blicke trafen sich für einen kurzen Moment. Lucthen korrigierte seine Einschätzung. Sie war nicht ganz ansehnlich, sie sah gut aus. Ein zartgeschnittenes Gesicht mit großen Katzenaugen und weißer Haut. Der Ausdruck in ihren Augen war schwer zu deuten. Lucthen schienen sie dumpf zu sein. Hübsch, aber nicht besonders klug, mutmaßte er. „Lady Crystal wie ich vermute“, meinte er, als er sie schließlich erreicht hatte. „Es freut mich Euch kennen zu lernen.“
Die Frau nickte nur stumm und reichte ihm ihre Hand. Hatte eine Nachricht, die sie gerade erhalten hatte, sie so schockiert oder war sie immer so geistesabwesend?
„ Wann könnt Ihr reisefertig sein, Lady Crystal?“, erkundigte sich einer der Drei.
„ Ich… eigentlich sofort“, gestand sie.
„ Wenn Ihr wollt, wird der Magus Lucthen Euch sicher auch nach Kornthal begleiten um Eure Sachen zu holen.“
„ Das wird nicht nötig sein. Ich habe alles Nötige bei mir.“
Ihre Stimme war kaum mehr als ein Flüstern und ihr Gesicht verzog sich bei diesen Worten schmerzhaft. Interessant. Lucthen fragte sich, was geschehen war, dass sie in solche Aufregung versetzt hatte. Nun, er würde während der Reise genügend Zeit haben, es herauszufinden.
Es schien niemand in der Nähe zu sein. Vorsichtshalber wartete Dawn bis die Sonne ganz untergegangen war, dann näherte sie sich ihrer Entdeckung. Vor zwei Tagen hatte sie zufällig den Hügel entdeckt. Er hatte sie wie magisch angezogen und Dawn neigte dazu, ihren Impulsen nachzugeben. Also war sie ihrem Instinkt gefolgt und auf den Hügel geklettert. Er hatte eine eigenartige Form – wie eine Halbkugel, die im Boden steckte. Irgendwie perfekt; zu perfekt für einen Hügel. An der höchsten Stelle hatte sie eine Steinplatte gefunden, die in den Boden eingelassen war. Vorsichtig hatte sie den Stein untersucht. Jemand hatte sich die Mühe gemacht Zeichen in ihn einzuritzen, die Dawn jedoch nicht entziffern konnte und als sie mit den Fingern die Kante entlanggefahren war, hatte sie es entdeckt: der Stein war eine Tür! Wenn man sich dagegenstemmte, konnte man ihn so verschieben, dass ein Loch im Boden sichtbar wurde! Sie hatte einen Kieselstein hineingeworfen, um abschätzen zu können wie tief es nach unten ging. Obwohl sie nicht glaubte, dass das Loch besonders tief war, hatte sie seufzend den Stein wieder über die Öffnung gezogen und sich auf den Rückweg in die Taverne gemacht. Es hätte nicht viel Sinn gehabt ohne Laterne und Seil in die Tiefe hinabzusteigen. Jetzt hatte sie endlich die Zeit gefunden um zurückzukehren.
Dawn entzündete die Laterne und legte das Seil bereit, dann schob sie den Stein beiseite. Ächzend fragte sie sich, ob es wirklich eine gute Idee gewesen war, niemandem zu sagen was sie vorhatte. Sie hatte überlegt, ob sie ihr Geheimnis Corus anvertrauen sollte, sich jedoch dagegen entschieden. Diesen Fund wollte sie mit niemandem teilen. Außerdem, es konnte ja sein, dass sie nichts fand als eine Grube und in dem Fall wollte sie sich nicht von Corus auslachen lassen, dass sie so viel Aufsehen um ein einfaches Loch gemacht hatte. Endlich gab der Stein nach und glitt zur Seite. Dawn suchte eine Zeit lang herum bis sie eine Möglichkeit gefunden hatte das Seil festzumachen, dann ließ sie das eine Ende in die Tiefe fallen. Sollte sie wirklich so verrückt sein und da nach unten klettern? Vorsichtig hielt sie die Laterne so weit wie möglich hinunter und versuchte den Boden auszuleuchten, doch sie konnte nichts erkennen. Der Drang umzukehren und mit Corus wiederzukommen, oder besser noch ganz fortzubleiben, wurde immer stärker. „Du bist ein Feigling
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