Die lichten Reiche: Band 1: Harfe und Schwert (German Edition)
sich aufsteigen. Dann erinnerte sie sich. Die Auen, Hazel… Sie war in Sicherheit. Es war nur einen Albtraum gewesen. Kein Grund zur Sorge. Doch dann hielt sie inne. Wem versuchte sie hier etwas vorzumachen? Nichts war in Ordnung. Sie hatte jetzt bereits zum zweiten Mal von diesem seltsamen Mann geträumt und beim ersten Mal hatte sie nicht einmal geschlafen! Vielleicht gehörte ihm das Schwert, überlegte sie. Vielleicht hatte diese Schlacht tatsächlich stattgefunden und sie sah nun die Bilder einer längst vergangenen Zeit. Dawn runzelte die Stirn. Es gab nur eine logische Erklärung. Er war kein Mensch. So musste es sein. Sie hatte ein Elfenschwert gefunden und den Krieg gesehen. Warum war sie nicht gleich darauf gekommen? Sein perfektes Gesicht, seine Augen, die wie flüssiges Gold schienen, seine geschmeidigen Bewegungen… Oh ja, er war schön genug um einer der Lichten zu sein und wenn es tatsächlich sein Schwert war, nun dann war es auch nicht verwunderlich, wenn sie von ihm träumte. Waren nicht Elfen ganz Magie? Warum sollte dann nicht einer ihrer Gegenstände ein Fenster in die Vergangenheit für sie öffnen? „Kein Wunder“, dachte sie, „dass der Magus sich so für mein Schwert interessiert hat.“ Er musste gemerkt haben, was es damit auf sich hatte und wollte es für sich selbst haben. Das hätte ihm so gepasst! Dawn stieg aus dem Kistenbett und kramte in ihren Sachen, bis sie das kühle Heft des Schwertes spürte. Es war wirklich eine wunderschöne Waffe. Sanft strich sie über die Verzierung: ein weißer Knoten und darüber ein schwarzer. Ihre Fingerspitzen kribbelten, als sie das Muster berührte und eine wilde Freude rauschte durch ihre Adern. Sie würde niemandem erzählen, dass sie ein Elfenschwert besaß. Oh nein, sie hatte die Waffe gefunden und sie gehörte ihr. Sie gehörte ihr mehr, als ihr irgendetwas je gehört hatte…
Crystal quälte sich die Strickleiter hinab. Die Hütten in den Wipfeln der Bäume zu errichten und vor dem Fenster Eichhörnchen und ein Vogelnest in den Zweigen zu sehen, fand sie ja ganz nett, doch die Kletterpartien, um hinauf und hinunter zu kommen, waren nicht ihre Sache. Vermutlich war das eine Frage der Gewohnheit, überlegte sie. Denn Hazel, die vor ihr die Strickleiter hinabgestiegen war, schien überhaupt kein Problem damit zu haben. Sie wartete geduldig auf Crystal und führte diese dann unter dem Dorf hindurch, bis sie zu einer Lichtung kamen. Crystal blieb erstaunt stehen. Über der Wiese hatte jemand Girlanden gespannt, drei riesige Lagerfeuerstellen waren errichtet worden und Frauen gingen lachend und schwätzend ihrer Arbeit nach. Einige warfen Holz in die Feuer, andere rollten Fässer herbei, bauten Tische auf und richteten darauf Speisen an.
„ Das ist der Dorfplatz“, erklärte Hazel. „Hier werden Versammlungen abgehalten und Feste gefeiert. Heute ist ein großer Freudentag, denn unsere Söhne kommen von der Grenze zurück.“
Crystal nickte benommen. „Da haben wir ja Glück, dass wir ausgerechnet heute angekommen sind.“
Hazel lachte. „Komm, ich stelle dir meine Töchter vor.“
Crystal folgte ihr quer über den Platz zu einer jungen Frau und einem Mädchen, die man unschwer als Hazels Kinder erkennen konnte. Beide hatten das dunkle Haar ihrer Mutter und deren kräftige Statur geerbt. Die Ältere der Beiden hatte strahlend blaue Augen und schien furchtbar aufgeregt. Die Jüngere, ein Kind, das in etwa in Joys Alter war, half ihrer Schwester ein Wildschwein über dem Feuer zu drehen. „Gut, dass du kommst, Mama!“, rief sie aus, als sie Hazel bemerkte. „Thyme macht mich noch wahnsinnig. Sie redet nur mehr von dem Fest heute Abend…“ Der Redeschwall des Mädchens kam zu einem abrupten Halt, als sie hinter ihrer Mutter Crystal bemerkte.
Crystal erwiderte ihren überraschten Blick mit einem freundlichen Lächeln. Das Haar des kleinen Mädchens war noch nicht so lang wie das der Erwachsenen und die Zöpfe standen ihr wirr vom Kopf ab, was ihr ein lustiges Aussehen gab. Die junge Frau, Thyme, wie sie annahm, war bei den Worten ihrer Schwester rot geworden.
„ Na, das ist ja durchaus verständlich, dass sie aufgeregt ist, möchte ich meinen, wo sie doch ihren Verlobten ein halbes Jahr lang nicht gesehen hat“, erklärte ihre Mutter. Hazel deutete auf die junge Frau in ihrer Begleitung. „Das ist übrigens Crystal. Sie wird für ein paar Tage bei uns zu Gast sein. Crystal, das sind meine Töchter, Thyme und Lobelia.“
„
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