Die lichten Reiche: Band 1: Harfe und Schwert (German Edition)
die Zügel ab. Dawn beeilte sich zu den Anderen zu kommen. Lucthen hatte sich bereits daran gemacht, eine der Strickleitern, die man zu Boden gelassen hatte, zu erklimmen.
Crystal blickte zweifelnd zu ihm auf. „Ich frage mich, wie ich da jemals hochkommen soll.“
Dawn grinste und nickte. Würde schwierig werden. „Weißt du was, ich glaube, du hast gar keine andere Wahl.“ Sie bückte sich, hob Crystals Röcke an und steckte die Zipfel unter den breiten Gürtel, der tief auf den Hüften der Bardin saß. „Schau nicht so schockiert“, lachte sie. „Wenn du nicht bei den Pferden bleiben möchtest, ist das wohl die einzige Möglichkeit.“
Crystal nickte resigniert und folgte Lucthen auf die Leiter.
Als sie schließlich alle oben waren, wurden sie in eine der Hütten gebeten. Alle Möbel bestanden, wie zu erwarten gewesen war, aus Holz. Der Druide zeigte auf die freien Stühle und wartete, bis alle Platz genommen hatten. Dann setzte er sich ebenfalls. „Es wäre uns eine Ehre, wenn ihr die nächsten Tage unsere Gäste sein würdet. Die lichte Mutter hat euch hierher geführt und dafür danken wir ihr.“
Er vollführte eine eigenartige Geste, indem er sein Haar fasste und Strähnen an die Lippen führte. Dawns Augen wurden groß. Unter anderen Umständen hätte sie die Geste lächerlich gefunden – dass ein erwachsener Mann sein eigenes Haar küsste – doch er führte die Bewegung mit so großem Ernst aus, dass Dawn instinktiv begriff, dass es eine Geste der Dankbarkeit und Verehrung war. Nannte man Lucis hier die lichte Mutter? Sehr seltsam. Sie hörte, dass Lucthen die Einladung dankend annahm und dass der Druide sie zu einem Fest einlud, das man heute Abend feiern würde. Dawn war es ganz recht ein wenig hier zu bleiben. Es war angenehm kühl in der Hütte, das Licht fiel durch schmale Luken ins Innere und Dawn fragte sich, ob sie hier wohl auf Strohsäcken schliefen und ob man hier Decken aus Daunenfedern kannte. Egal. Sie hatte in ihrem Leben oft genug auf dem Boden geschlafen und ein paar Tage nicht auf Wanderschaft verbringen zu müssen, war allemal ein reizvoller Gedanke.
Lucthen fragte sich, ob es eine Möglichkeit gab, die Einladung auszuschlagen ohne allzu unhöflich zu sein. Ihm fiel keine ein, also unterdrückte er ein Seufzen und nickte stattdessen. Es war bestimmt interessant mit dem Druiden zu reden, herauszufinden, wie die Menschen hier lebten. Doch der Gedanke, dass es nun noch ein paar Tage länger dauern würde, bis er nach Liisatiina suchen konnte, schmeckte bitter in seinem Mund. Der Druide, der bisher seinen Namen noch nicht genannt hatte, führte sie zu ihren Schlafplätzen. Die Bewohner des Dorfes warfen ihnen neugierige Blicke zu und Lucthen nickte freundlich. Er sah Kinder, die auf den Strickleitern und Seilen, die zu Boden hingen, spielten, junge Frauen, die Flachs sponnen und sich dabei lachend unterhielten, Jünglinge, die übten mit Pfeil und Bogen umzugehen und alte Menschen, die beieinander saßen und Gemüse putzten. Der Druide meinte, dass es nirgends genügend Platz geben würde, dass sie alle beieinander schlafen konnten und so führte er Dawn und Crystal zu einer Hütte, wo sie von einer Frau namens Hazel willkommen geheißen wurden. Lucthen selbst und Corus wurden gebeten in der Hütte des Druiden zu bleiben. Sie wurden in einen Raum gebracht, der zwei Schlafstellen enthielt. Zumindest vermutete Lucthen, dass die Kisten in denen Weidenzweige, Laub und Heu lagen, als solche dienten. Amüsiert registrierte er Corus’ entsetzten Blick und gab dem Jungen im Stillen Recht. Die Schlafstätten sahen wirklich alles andere als bequem aus. Mehr wie ein Vogelnest als ein Bett. Andererseits, dachte Lucthen, schliefen sie ja auch in den Wipfeln der Bäume, also war ein Nest vielleicht angemessen.
„ Warum baut ihr eure Hütten nicht am Boden?“, erkundigte sich Corus.
„ Es gibt durchaus Hütten am Boden. Dort, wo genügend Platz vorhanden ist. Aber da der Wald meist zu dicht ist und wir keine Bäume abholzen, errichten wir unsere Behausungen lieber hier oben.“
„ Wie schafft ihr Wasser hier rauf?“
Der Druide lächelte sanft. „Euer junger Schüler ist sehr wissbegierig“, meinte er an Lucthen gewandt.
Der Magus stutzte einen Moment, dann meinte er, „Ja, das ist er.“
Er sah, wie Corus ihn anstarrte, langsam die Bedeutung dieser Worte erfasste und seine Augen vor Stolz zu leuchten begannen. Insgeheim wunderte er sich über sich selbst. Anfangs hatte er
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