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Die Lichtermagd

Die Lichtermagd

Titel: Die Lichtermagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Falkenhagen
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einbringen könnte? Aber das ist nicht meine Sache.« Marquart winkte ab. »Nicht meine Sache. Lasst sie kotzen und scheißen, das tut ihr gut. Ich könnte sie schröpfen, um das Gift aus dem Blut zu ziehen, aber …«

    »Tut es. Ihr bekommt Euer Geld«, schnaufte Caspar und nickte Romer zu. Der zahlte dem Arzt so viel Geld im Voraus, wie der Krämer den ganzen Monat über nicht in der Hand gehabt hatte. Doch Caspar war es egal. Seine Schulden ließen ihn bereits unruhig schlafen; auf einen Gulden mehr oder weniger käme es nicht an.
    Marquart der Arzt machte sich ans Werk. Er schickte Kungunt und die beiden ältesten Kinder in dem ärmlichen Haus herum. Er befahl ihnen, eine Schüssel mit Kohlen aus der Feuerstelle zu füllen, Kräuter zu verbrennen und Leinen zu holen. Das Kind wurde auf den Rücken gedreht. Dann schärfte er sein kleines dunkles Messer und begann zu schneiden.
    Caspar hatte gehofft, dass Cristein wegen des Giftes und ihres Zustandes den Schmerz der Schnitte nicht so spüren würde. Sie schrie auch nicht, wie es jemand bei klarem Verstande getan hätte. Doch das kraftlose Greinen, das das Kind immer dann aus dem kleinen Körper herauspresste, wenn der Arzt seine Klinge ansetzte, war schlimmer als jeder Schrei. Auf jeden Schnitt wurde einer der warmen grünen Glasnäpfe gestülpt, der sich dann langsam mit Blut füllte.
    Der Kampf um Cristeins Leben dauerte noch zwei Stunden. In den Laken stand das Blut, denn die erkaltenden Schröpfköpfe lösten sich irgendwann von selbst. Der rundliche Meister Marquart arbeitete sich in den Schweiß, richtete bisweilen Stoßgebete an den heiligen Benediktus, um gegen das Gift zu helfen, oder warf eine andere Handvoll Kräuter in die Flammen. Caspar ertappte sich derweilen beim Beten. Er spulte alle Litaneien herunter, die er nur kannte. Dabei war er völlig unfähig, sich zu bewegen. Er wusste nicht, ob er die Psalme richtig aufsagte, noch, ob sie dem Anlass gemäß waren.
    In der dritten Stunde ihrer Mühen starb die kleine Cristein. »Es tut mir leid«, schnaufte Marquart erschöpft. »Wir sind zu
spät gekommen. Das Gift hatte den Körper schon fest im Griff. Am besten ihr verbrennt die Tücher – nicht dass noch jemand anderes leiden muss.«
    Caspar der Krämer nickte. Er fühlte nichts mehr. Nicht einmal die Schläge seiner Frau, die ihm mit ihren Fäusten auf der Brust herumtrommelte. Er hörte auch ihre Schreie nicht. Er sah nur den kleinen Leib in den blutverschmierten Leinentüchern liegen und bemerkte, wie etwas in ihm starb.
    »Gift, sagt der Arzt?«, drang es an sein Ohr. »Dafür wird der Heinrich baumeln müssen!«
    Caspar war Romer dankbar für diese Worte. Sie lösten die Starre in ihm und öffneten der Wut die Tore. Er stieß die schluchzende Kungunt von sich und griff zum Schüreisen. »Aber vorher will ich wissen warum .« Sie nickten einander grimmig zu und brachen auf.
     
    Bis zu Heinrichs kleinem Haus im Laurentiusviertel war es nicht weit. Die beiden Männer rissen den glatzköpfigen Fleischer aus dem Bett, in dem er mit Frau und sieben Kindern lag. So kräftig er auch sein mochte, hatte er Caspars von der Wut beflügelten Schlägen nichts entgegenzusetzen.
    »Was hast du mit dem Fleisch gemacht!«, brüllte der Krämer und trieb seine Faust immer wieder in das Gesicht des Fleischers. »Warum hast du uns vergiften wollen!« Nur der einäugige Romer hielt ihn davon ab, den wimmernden Fleischer totzuschlagen, indem er Caspar in den Schwitzkasten nahm und all seine Kraft aufbrachte, ihn wegzuziehen.
    »Lass ihn leben, Mann! Sonst sagt er dir gar nichts mehr!«
    »Warum, Heinrich? Was hast du gegen mein Kind?«, schluchzte der Krämer nun. »Wir haben dir doch nichts getan!« Er trat dem Mann in den Bauch. »Gift, Mann! Wie konntest du nur?«

    Der dürre Schneider schob sich dazwischen und sprach beschwichtigend auf ihn ein. »Caspar, Mann, denk doch mal nach.Wenn Heinrich keinen Grund hatte – wer dann? Jemand muss dich sehr hassen, wenn er deine Kinder vergiftet. Jemand, der dich unter Druck setzen will.«
    Plötzlich verstand Caspar. Warum hatte er das nicht vorher gesehen? Nur so ergab alles einen schrecklichen Sinn. »Hat dich der Nathan beauftragt, Heinrich? Ist es wegen meiner Schulden?« Er machte einen Schritt auf den sich auf dem Boden krümmenden Fleischer zu, griff ihn beim Hemd und schüttelte ihn so heftig, dass der Stoff riss. »War es Nathan?«, grollte er dabei.
    Der Fleischer zuckte zusammen und nickte so eifrig er

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