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Die Lichtermagd

Die Lichtermagd

Titel: Die Lichtermagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Falkenhagen
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um ihn dann in das Judenbad zu werfen. Dort schwamm er dann, das zu einer unkenntlichen Masse zerschlagene Gesicht nach oben, und färbte das Wasser rot.
    Mittlerweile kehrte Caspars Gefühl zurück. Seine Handknöchel pulsierten.Vermutlich hatte er sich etwas gebrochen. Der körperliche Schmerz schwemmte die Wut fort, und die Trauer überfiel ihn wieder. Er stürzte vornüber auf den Steinboden und schrie. Sein Töchterchen war tot. Es würde nie wieder lachen können.
    Er wusste nicht, wie lange er in dem Bad im Stein unter Nürnberg auf dem Boden gekniet und geweint hatte. Als seine Tränen versiegt waren und er aufsah, war er allein mit der Leiche. Er sollte eigentlich Genugtuung empfinden. Der Schmerz sollte nachlassen, nun, da der erste Mörder tot war. Er sollte Freude empfinden.
    Doch als Caspar der Krämer auf den toten Juden hinabsah, da spürte er in sich nur eine tiefe, bodenlose Leere. Und er wusste nicht, ob er sie jemals wieder füllen könnte.

KAPITEL 27
    Am zweiten Tag des Dezembermonats schwamm ein Toter in der Mikwe bei Sankt Laurentius. Das Quellwasser des rituellen Bades der Juden färbte sich rot von dem Blut des Schlachters Josel, der koscheres Fleisch für die Gemeinde geliefert hatte.
    Rosa berichtete, eine aufgebrachte Menge habe Josels Haus gestürmt, ihn aus dem Bett gerissen und fortgeschleppt; Knechte, Frau und Kinder seien halb totgeschlagen worden. Angeblich hätte Josel unkoscheres Fleisch vergiftet und an die Christen verkauft, um sie zu töten. »So was hett der Josel nie getan!«, meinte Rosa erschüttert. »Und kein Jidener hett einen Toten in de Mikwe geworfen!«
    Luzinde hatte den Mann nicht gekannt und wusste nichts über sein Geschäftsgebaren. Doch die Anklage gegen ihn und der Fund in der Mikwe bewogen den Stadtrat dazu, öffentlich verkünden zu lassen, dies sei ein Verbrechen von Juden an Juden gewesen, für deren Aburteilung sie auch selbst verantwortlich seien. Der Ausrufer betonte dabei, dass die Juden natürlich keine Gewalt über Christen besaßen.
    Josels Tod erschütterte die Juden von Nürnberg. Die Zeichen hatten sich inzwischen so verdichtet, dass das Unheil selbst den sorglosesten Menschen unmittelbar vor Augen stand.
    »Nathan will kempfen«, platzte Rebekka heraus. »Er wird seine Leit rufen und die Kerle finden, die den Josel erschlaken haben.«
    Luzinde wurde bleich. »Das kann er doch nicht wirklich vorhaben.«

    »Du kenst doch Nathan«, meinte Mose. »Er wil sich des aless nit mer gefalen lassen. Er hat schon for Wochen heimlich Wafen in de Schtot geholt. Die Sach mit Josel hat’s Fas zum iberlaufen gebracht. Jezt farsamelt er Leute, die denken wie er.«
    »Des gibt ein Blutbad«, platzte Rebekka heraus. »Und de Kinder – Luzinde, denk doch nur, Bel und Jakob, und all die anderen Kinder …« Sie brach wieder in Tränen aus. Luzinde legte der Frau, zu der sie doch bislang eine herzhafte Abneigung gehegt hatte, beruhigend die Hand auf die Schulter. Sie selbst fürchtete auch um ihr Kind. Rebekka musste schreckliche Angst um Bel und Jakob ausstehen.
    Offenbar waren mit Hosto bereits mehrere Briefe ausgetauscht worden. Darin standen höfliche Floskeln, die für beide Seiten wenig Bedeutung besaßen. Schließlich lud Hosto Stromer Mose ein, um über die Sache mit den Juden in Nürnberg zu verhandeln. Da Wenzel Luzinde nicht aus den Augen lassen wollte, gingen sie zu dritt. »Der Ulman Stromer soll dir nur zu nahe kommen«, knurrte der Ritter. »Den werd ich Mores lehren.« Auch in dieses Haus ging man hinten herum, durch die Hoftür.
    Hosto Stromer empfing sie in einer Kemenate mit einer Bank mit fein geschnitztem Maßwerk, einigen Hockern und einem niedrigen Tisch. Die Zeichen des Reichtums empfand Luzinde als protzig. Hier gab es nichts, was nicht aus kostbarem Glas, zurechtgeschnitztem Halbedelstein oder Brokat bestand oder mit Geringerem als Edelsteinen oder Goldeinlegearbeiten verziert war.
    »Ich würde Euch ja etwas anbieten«, sagte Hosto mit süffisantem Lächeln, »aber ich will den Juden nicht brüskieren.«
    »Wie rücksichtsvoll von Euch, Eure Gastfreundschaft hinter Eure Höflichkeit zu stellen«, erwiderte Mose ebenso spitz.

    Luzinde standen die Haare zu Berge, als sie Hosto Stromer nun zum ersten Mal gegenübersaß. Der blonde Mann mit dem ebenso hellen Bart musterte sie unverhohlen. Er hatte sich auf der Bank breitgemacht und wirkte dabei wie ein satter Löwe, der eine Herde Rehe beäugte und erwog, ob noch Platz in seinem Bauch wäre.

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