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Die Lichtermagd

Die Lichtermagd

Titel: Die Lichtermagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Falkenhagen
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erschlagen lassen! Ich hab’s gewusst! Ich hab’s gewusst.«
    »Woher wisst -«
    Als Luzinde ihm die Börse zeigte, stellte er keine weiteren Fragen. Stattdessen nahm er sie in den Arm und zog sie an sich. Die junge Frau schlug blind vorWut um sich. Sie ließ den Tränen ihren Lauf und weinte, weinte, bis sie nicht mehr konnte. »Ich hab’s gewusst«, schluchzte sie schließlich ein letztes Mal und hielt kraftlos inne. Sie hörte nichts mehr als den Schlag seines Herzens an ihrem Ohr. Sanft und regelmäßig pochte es stetig weiter, und dieses Geräusch beruhigte sie.
    Erst eine Stunde später, in der Kammer, die Rosa Wenzel in ihrem Haus bereitgestellt hatte, ging es Luzinde wieder besser. Eingeschlagen in einen Haufen Decken, in den Händen eine
Schüssel mit Hühnerbrühe, die die Magd ihr gewärmt hatte, saß sie bei Kerzenschein da und starrte auf die mit Holz verkleidete Wand. Sie war entsetzlich müde.
    »Geht es dir besser?«, fragte Wenzel von der Tür her. Luzinde nickte. Der Ritter schloss die Tür hinter sich und lehnte sich dagegen. Sein Blick sprach von seinem eigenen Schmerz. »Was in Gottes Namen hattest du dort draußen mitten in der Nacht zu tun?«, fragte er erschüttert. Er sprach den Namen des Herren aus wie einen Fluch.
    »Ich -«, setzte Luzinde an, doch sie verstummte. Was sollte sie ihm sagen? Dass ihn das nichts anging? Das stimmte längst nicht mehr. Sie konnte ihn nicht noch einmal so zurückweisen wie noch vor wenigen Stunden. Er hatte ein Recht darauf, die Wahrheit zu erfahren. »Ich habe ein Kind«, sagte sie deshalb schlicht. »In meiner Jugend liebte ich einen Mann, von dem ich dachte, er würde mir die Hand zur Ehe reichen. Doch das tat er nicht. Ihm gebar ich einen Sohn. Seitdem lebe ich in Sünde und bete darum, dass Gott mir verzeihen kann.«
    Daran hatte der Ritter hart zu schlucken. »Wo ist er jetzt?«
    Luzinde senkte den Kopf. Es fiel ihr noch immer schwer, diese letzte Wahrheit auszusprechen. »Ich – ich habe ihn weggegeben.« Luzinde schluckte schwer, denn der Knoten in ihrem Hals schnürte ihr die Kehle zu. »Nach der Geburt – ich war so erschöpft, so müde. Ich wollte nur noch zwei Dinge – schlafen und mein Kleines halten.« Sie spürte Tränen über ihre Wange laufen, doch sie wischte sie nicht fort. »Aber sie haben es mir nicht gegeben. Da war diese Klarissenschwester Elisabeth – sie hat vor der Geburt mit mir gebetet. Sie erzählte mir von dem Leben, das mein Kleines führen würde. Als Sohn einer Sünderin. Ein Ausgestoßener, nirgendwo zu Hause. Unfähig, ein Handwerk zu erlernen, weil kein Meister ihn nehmen würde. Sie sagte, mein Kind würde mich irgendwann für diesen Makel
hassen. Und sie bat mich, eine Entscheidung für das Wohl des Kindes zu treffen. Damit es wohlbehalten aufwachsen und in der Gnade des Herren leben könnte.« Luzinde blickte zu Boden, die Augen blind vor Tränen. Ihre Hand tastete aus Gewohnheit nach ihrem Amulett, doch es war nicht da. »Ich wollte doch nur das Beste für ihn! Sie gab mir das Zeichen der heiligen Luzia mit den Worten, die könne Gefallene wieder zurück ans Licht führen – und immerhin sei sie meine Namenspatronin. Und dann – dann hab ich sie gehen lassen.«
    Wenzel schwieg. Dann streifte er sich etwas über den Kopf, zog sie an der Hand hoch und legte einen warmen Metallgegenstand hinein. Es war das Luzienamulett. Er ließ ihre Hand nicht los. »Nur Gott allein weiß, ob es richtig oder falsch war«, murmelte er dann. »Vielleicht hätten sie dir das Kind in jedem Fall weggenommen.«
    Luzinde strich mit dem Daumen über das Metall. Es trug noch die Wärme seiner Haut in sich. »Vielleicht.« Die Traurigkeit kehrte zurück. »Ulman hat versprochen, mir den Jungen zurückzugeben. Er hat gelogen. Auch das habe ich gewusst. Aber ich konnte nicht anders.«
    Wenzel nickte bloß.
    »Was, wenn er meinem Kind etwas antut?«, fragte Luzinde beklommen.
    »Das glaube ich nicht.«
    »Aber wie bringe ich ihn dazu, mir den Hannes wiederzugeben?«
    »Ich weiß es nicht. Dein Ulman«, sein Seitenblick zeigte Luzinde, dass Wenzel die Worte durchaus mit Bedacht gewählt hatte, »scheint mir mindestens so böse zu sein wie sein Oheim. Wenn wir nichts gegen ihn in der Hand haben, dann wird er wohl kaum plötzlich den barmherzigen Samariter in sich entdecken.«

    »Etwas in der Hand haben …«, murmelte Luzinde. »Ich weiß jetzt, dass er Gottschalk getötet hat.« Sie hob die Börse.
    »Das beweist nichts. Und selbst wenn –

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