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Die Lichtermagd

Die Lichtermagd

Titel: Die Lichtermagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Falkenhagen
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wird König Karl sich um einen einzelnen Juden scheren, wenn er hier nichts auf den Tod von Hunderten gibt?«
    »Nürnberg ist Nürnberg«, erwiderte Luzinde. »Aber Tachau ist Böhmen. Der König ist richtig wütend geworden, dass Gottschalk in seinen böhmischen Landen ermordet wurde.«
    Wenzel verschränkte die Arme vor der Brust. »Du willst Ulman Stromer erpressen?«
    »Er hat versucht, mich zu ermorden«, sagte Luzinde. Dann barg sie das Gesicht in den Händen.
    Wenzel legte ihr die Hand auf die Schulter. »Es würde sowieso zu nichts führen, Luzinde.«
    »Warum nicht?«
    »Wenn du ihm drohst, dem König Beweise vorzulegen, wird er dich wieder erpressen. Mit dem Leben deines Kindes.«
    Luzindes Herz setzte einen Schlag aus. »Du hast Recht. Er muss wissen, dass ich nachgeben würde.« Sie seufzte. »Aber was tun wir dann? Für Hannes? Und für die Juden?«
    Wenzel sah grimmig aus. »Was wir immer tun. Weiterkämpfen.«
    »Hat das Kämpfen denn noch einen Sinn?«
    »Darum geht es nicht, Luzinde«, meinte der Ritter ernst. »Es geht nur darum, dass man nicht aufhört zu kämpfen.« Er runzelte die Stirn und sah in die dunkle Nacht. »In diesem Fall glaube ich sogar, dass die Juden von Nürnberg dich brauchen. Du denkst ein wenig wie er. Wie Ulman Stromer.«
    Luzinde wollte protestieren, doch er fügte entschuldigend hinzu: »Du sagst selbst, dass du vorherahnst, was er als Nächstes tun wird.Wenn jemand einenWeg finden kann, der aus dieser Misere herausführt, dann du.«

    Sie lächelte kurz. »Ich glaube eher, du bist derjenige, der hier etwas tun kann. Die Zeit der Verhandlungen ist doch längst vorbei.«
    Wenzel nickte nur. Einen Augenblick lang dachte sie, er würde sich herunterbeugen, um sie zu küssen. Sie stand so nah vor ihm, dass sie die Wärme seines Körpers spüren konnte. Seine Hand berührte weiterhin ihre Schulter. Die Fingerspitzen berührten ihre Haut am Hals. Eine Gänsehaut überkam sie. Und endlich wusste Luzinde, was Gottschalk gemeint hatte, als er damals mit ihr über die Liebe gesprochen hatte. Sollte sie doch zu hoffen wagen? Dieser Mann war jede Liebe wert, die sie zu geben in der Lage war. Doch waren das nicht wieder unerfüllbare Träume, dass er für sie den Standesunterschied zwischen ihnen außer Acht lassen würde?
    Luzinde lächelte traurig über ihre Zweifel. Bislang hatten die Männer in ihrem Leben immer nur etwas von ihr verlangt. Wenzel aber gab ohne Vorbehalt. Ihr kam der Verdacht, dass sie noch viel zu lernen hätte.

KAPITEL 26
    Sie braucht einen Physicus!«, kreischte Kungunt. Ihre Stimme war vom Weinen schon ganz heiser.
    »Ich kann keinen Arzt bezahlen, Weib! Woher soll ich denn das Geld nehmen?«, gab Caspar zur Antwort. Doch seine Ruhe täuschte; in seiner Brust tobten die Gefühle. Es hatte begonnen, kurz nachdem die Sonne untergegangen war. Cristein, seine achtjährige Tochter, hatte stark erbrochen. Kurz darauf hatte sie Durchfall bekommen, als sei sie vom Teufel besessen. Nun lag das Kind auf dem Lager, sabberte und lallte, während der Kopf unkontrolliert auf dem Hals hin- und herpendelte. Und er stand da und musste hilflos mit ansehen, wie seine Tochter sich, um Luft ringend, in den Decken wand.
    Caspar schlug rhythmisch mit der Faust auf den Rahmen der niedrigen Tür. Erst am Schmerz merkte er, dass er sich den Handballen an einem Splitter aufgerissen hatte. Er betrachtete die blutende Wunde und war beinahe dankbar für die Ablenkung. Gedankenverloren wickelte er ein Tuch darum, um das Blut nicht durch das ganze Haus zu schmieren. Kungunt befand sich jetzt schon am Rande eines weiteren Weinkrampfes. Eine Blutspur auf den Dielen würde nicht nützlich sein.
    »Sie wird sterben«, greinte Kungunt. Sie versuchte, das Kind in ihren Armen zu beruhigen und gleichzeitig zu trösten. Doch wie verhielt man sich gegenüber einem Kind, das keine Luft bekam? Caspar nahm ihre wachsende Verzweiflung, die blasse, verschwitzte Haut und die Zuckungen des schmalen Leibes wahr. Schließlich wagte er den letzten Schritt in die Kammer,
in der Cristeins Krankenbett stand. »Sie braucht wirklich einen Arzt.«
    »Ja«, flüsterte seine Frau kraftlos. »Vielleicht lässt er dich Schulden machen. Es geht doch um unsere Cristein!«
    »Vielleicht«, gab Caspar zurück, obwohl er das bezweifelte. Jedermann in der Stadt wusste, dass ihm die Schulden bereits über den Kopf wuchsen. Der Arzt würde den Fuß nicht in sein Haus setzen, ohne dass er Münzen sähe. Doch Kungunt musste nicht

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