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Die Lichtermagd

Die Lichtermagd

Titel: Die Lichtermagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Falkenhagen
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vermochte. »Das Fleisch«, stöhnte er und spie einen Zahn aus. »Es kommt von … von Josel dem Fleischer! Es ist – es ist Judenfleisch gewesen. Er hat mich gezwungen! Ich habe es nicht gewollt. Ich habe es nicht gewollt!«
    Schlagartig verwandelte sich Caspars tobende Wut in kalten Zorn. Judenfleisch. Es war den Juden streng verboten, ihre Fleischreste an Christen zu verkaufen, und christliche Fleischer durften den Juden auch nichts abkaufen. Dies geschah zum Schutz der Christen vor Verunreinigungen und – Gift. Jedes Kind wusste, dass die Juden die Christen so sehr hassten, dass sie ganze Landstriche ausrotteten.
    »Steckt der Jude Nathan dahinter?«
    »Ich weiß es nicht!«
    Nathan von Grevenberg, bei dem er sich sein Geld geliehen hatte. Der Jude, der zwei Pfennig pro Woche vom Pfund Haller als Wucher von ihm verlangte. Der Jude, der ihm Gewalt angedroht hatte, wenn er seine Schulden nicht bezahlte. Er ließ Heinrich unsanft auf den Boden sinken und wandte sich Romer zu. »Den hol ich mir. Ich hol sie mir alle.«

    Doch der Schneider folgte nur zögernd. Seine Augen blitzten, doch gleichzeitig strich er sich nervös den graustreifigen Bart. »Vielleicht sollten wir warten, bis …«
    »Warten?«, presste Caspar heraus. »Dein Warten hat meine Cristein das Leben gekostet, Mann! Wären wir damals aus dem Bierkeller alle losgezogen, um die Juden zu schlagen, sie wäre jetzt noch am Leben! Erst hältst du große Reden, dann ziehst du den Schwanz ein. Ich dachte, du wolltest Blut sehen!« Seine Stimme zitterte nun vor Schmerz und Zorn. »Sie leben in unserer Mitte«, keuchte er, »wie teuflische Zecken! Und wir lächeln und sagen Ja und Amen, wenn sie uns verdammen und verfluchen! Das hat jetzt ein Ende. Mit Feuer und Schwert, Romer! Lass uns den Juden den Garaus machen!«
    Die Zunge des Schneiders fuhr sich über die trockenen Lippen. Dann nickte er. »Also gut.Wir setzen dem ein Ende. Erst einmal nur dem Josel, der das Fleisch verkauft hat.«
    »Aber er hat es doch sicher in Nathans Auftrag getan! Ich kenne den Josel doch kaum!«, protestierte Caspar.
    »Das wissen wir nicht«, widersprach der Schneider. »Und du willst doch keinen Unschuldigen treffen, oder? Wenn jemand für Cristein büßen soll, dann doch der Rechte, nicht wahr? Wir sind doch keine Ungeheuer!«
    Widerstrebend stimmte Caspar ihm zu. »Wir holen uns ein paar Männer und quetschen Josel aus, ob es in Nathans Auftrag geschah.«
    Romer nickte. »Und anschließend wird der Fleischer bezahlen.«
    »Und dann Nathan.«
    »Und dann Nathan. Aber nicht sofort. Nicht sofort! Wir müssen erst einmal alle auf unserer Seite haben, Caspar. Zuerst müssen wir schlau sein. Aber ich verspreche dir, sie werden alle büßen. Ich verspreche es!«

    Der Krämer nickte. Als er Heinrich geschlagen hatte, war endlich das tote Gesichtchen seiner Tochter vor seinem geistigen Auge verschwunden. Je mehr Blut floss, desto erträglicher wurde der Schmerz. Caspar verzog seine Lippen zu einer grinsenden Grimasse. »Holen wir uns Josel.«
     
    Wie von Sinnen hieb Caspar auf Josel den Fleischer ein. Er schlug sich die Knöchel an den Zähnen blutig, doch er hieß den Schmerz willkommen. Irgendwann rührte der Mann sich nicht mehr.
    »Lass gut sein, Caspar, er ist tot.« Romer war hinter den Krämer getreten und legte ihm die Hand auf die Schulter. Caspar schlug sie weg. Er schuldete dem einäugigen Schneider Geld. Das hieß nicht, dass er sich Vertraulichkeiten erlauben durfte.
    »Hoh! Ist ja gut!«, stieß Romer aus. »Komm zur Vernunft. Und lass die Leiche los.«
    Caspar gehorchte. Romer hatte schnell ein paar Freunde um sich geschart, mit denen sie in Josels Haus eingedrungen waren. Sie hatten die Knechte vertrimmt und den kräftigen Fleischer schließlich mit einem Knüppel niedergeschlagen. Dann hatten sie ihn in das Judenbad gezogen, damit man die Geräusche nicht überall hörte. Das war Romers Idee gewesen. Vor Ort stellte sich heraus, dass der teils gemauerte Schacht, der Gott weiß warum tief in die Erde reichte, den Schall der Schreie eher noch beförderte. Doch Caspar war es egal gewesen.
    Unter Schlägen hatte der Fleischer gestanden, dass Nathan ihn dazu angestiftet hatte, das Rindfleisch mit Gift einzureiben. Es sollte speziell an alle seine Schuldner verkauft werden, um ihnen eine Lektion zu erteilen. Danach hatte Caspar ihn erschlagen.
    Nun nahmen zwei kräftige christliche Fleischersburschen den Leichnam an Händen und Füßen, gaben ihm ein, zweimal
Schwung,

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