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Die Liebe am Nachmittag

Die Liebe am Nachmittag

Titel: Die Liebe am Nachmittag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erno Szep
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Mädchen warten.
    Als ich den Hörer auflegte, starrte ich eine Minute lang den stummen Apparat an. Lauschte in mich hinein, ob mein Herz etwa so vernehmlich schlug wie der Gong vor einer Feierstunde. Ob mein Gesicht heißer geworden war? Und die Augen auffälliger strahlten? Doch ich spürte nichts dergleichen. Weiß nicht, ob ich etwas merkte. Denn irgendetwas musste ich doch fühlen. Was wollte dieses Mädchen? Täuschte ich mich, wenn ich annahm, es ginge um Protektion bei irgendeinem Theater oder Kabarett? Im letzten Jahr beispielsweise, da schrieb mir ein kleines krankes Girl, das ich nie gesehen hatte, und bat um zehn Pengő. Und ich, was will ich von diesem Mädchen? Bin ich denn neugierig auf so eine Dutzend-Iboly? Hat mich irgendetwas an dem Mädchen berührt? Warum habe ich mich nach ihr umgedreht, ihr nachgeschaut, wo ich doch den Kopf voller Sorgen hatte? Möglicherweisenur, weil dieses Gesicht zufällig in meiner Erinnerung aufgetaucht ist und mein Blick sie ganz unwillkürlich traf; und hätte ich dieses Mädchen nicht sogleich wieder vergessen, wenn ich nicht von ihr angesprochen worden wäre? Welches Novum habe ich von dieser Schauspielschülerin zu erwarten, was für eine neue Stimme, einen wie merkwürdigen Geschmack auf der Zunge, in welche Träume kann sie mich versenken, mir welche Sterne vom Himmel holen? Ein eiliger Seufzer, lass uns weitermachen. Wo waren wir doch gerade?
    Ich verspätete mich nachmittags um etwa fünf Minuten, musste wegen irgendeiner meiner Kalamitäten zum Anwalt. Das Mädchen wartete, schaute sich die Zeitungen bei dem Kriegsblinden an: der Mann sitzt auf einem Stühlchen vor seinem Holzgestell, von dem dreißig verschiedene Blätter die entsetzlichsten Grausamkeiten in die Welt hinausschreien. Wahrscheinlich erkannte ich das Mädchen daran, dass sie wiederum Bücher unterm Arm trug. Und als hätte sie gespürt, dass ich komme, sah sie auf, als ich mich ihr auf drei Schritte genähert hatte.
    Nein, das macht doch nichts. Und Sie sind wirklich gekommen! Sie habe schon befürchtet, dass ich gar nicht erscheinen würde, es am Telefon nur so versprochen hätte. In welche Richtung wir gehen wollten, ihr sei es ganz gleich.
    Vielleicht gehen wir hinunter zum Donaukai. Bummeln Sie gern?
    Ja, sehr gern, sie laufe auch immer zu Fuß nach Hause. Ich ging mit ihr zum Kai hinab, aber unterhalb der Stiegen, dort begegnet man kaum einem Menschen. Man muss über Ketten und Trosse steigen. Ich wollte auch deshalb mit ihr lieber dort unten gehen, weil sie so riesige Knöpfe an ihrem Mantel hatte. Ein billiger beigefarbener Sommermantel von der Rákóczy-Straße. Aus der letzten oder vorletzten Saison.
    Wie hat diese Unterhaltung eigentlich angefangen? Ja,gleich nachdem wir losgegangen sind, zog ich ihr der Reihe nach die Bücher unter dem Arm hervor. Was ist das? Eine Charakterkunde. Und dieses hier? Ästhetik. Das dritte war ein französisches Theaterstück,
Robert und Marianne
von Geraldy. Das vierte: ein Rezitationsbuch. Und dann gab es zwischen ihren Büchern noch ein Heft: Französischübungen.
    »Ah, vous parlez français?«
    »Oui. Un peu. Man muss nämlich auch Französisch lernen«, sagte sie.
    »Oui. Il faut. Appri.«
    Appri? Nicht vielleicht apprendre?
    »Pardon, apprendre. Es ist mir nicht eingefallen. Jetzt kann ich nicht.«
    Wie verlegen das arme Kind wird, kriegt einen hochroten Kopf. Dabei lacht sie, freut sich, spürt meinen Blick auf ihrem Gesicht, leckt hastig und kleinmädchenhaft ihre Lippen, wirft den Kopf herum, wartet, dass ich wieder etwas sage. Ein ebenmäßiges, sagen wir ganz hübsches Gesicht. Nichts Aufregendes. Braune Augen. Sie ist fast so groß wie ich, für ein Mädchen ziemlich groß. Und entsprechend dünn.
    Sind Sie heute drangekommen, hat man sie abgefragt?
    Als spräche ich mit einem Schulmädchen.
    Nein, sie war diesmal nicht an der Reihe, heute gab es auch nur Vortrag, bis auf zwei, drei Eleven, die der Professor etwas deklamieren ließ.
    Sie machen das dramatische Fach, nicht wahr?
    »Ja, natürlich. Für mich ist das dramatische Bühnenfach etwas Ernsthaftes.«
    Das sollte es auch sein, mein Kind.
    Wir schlenderten sehr langsam dahin, mussten dann sogar stehen bleiben, von einem Schlepper wurden kleine rote Fässer heruntergerollt; warten wir, bis die Fässchen ausgeladen sind. Ich ermutigte sie, ihr Mäntelchen aufzuknöpfen und sich zu präsentieren.
    »Wollen Sie mein Kleid sehen? Crêpegeorgette. Es war ein Rest, zwölf Pengő. Wie gefällt

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