Die Liebe atmen lassen
entgegen; das Recht auf Gleichberechtigung von Mann und Frau geht nicht nur Staat und Wirtschaft etwas an; das Recht auf Versammlungsfreiheit kann auch als Recht verstanden werden, sich mit Anderen als dem einen Anderen zu treffen; die Rechte auf persönliche Handlungsfreiheit, Berufsfreiheit, Freizügigkeit, Freiheit der Meinung, des Gewissens, des Glaubens betreffen auch die Verhältnisse zwischen zweien, ebenso das Recht auf Unverletzlichkeit der Wohnung (oder des eigenen Zimmers in der Wohnung); das Recht auf Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis umfasst auch elektronische Post, SMS-Verkehr und Handyspeicher; das Recht auf Eigentum ist nicht etwa zwischen Liebenden außer Kraft gesetzt. Allerdings kann nur der Einzelne selbst entscheiden, ein Recht geltend zu machen – oder aber von seinem Recht Gebrauch zu machen, auf die Inanspruchnahme eines Rechts zu verzichten, wenngleich dies im Einzelfall die Frage aufwirft, ob der Verzicht aus freien Stücken oder auf Druck des Anderen geleistet wird.
In einer demokratischen Gesellschaft entstammt das Recht , also das, was »richtig« für alle sein soll, einer Gesetzgebung durch alle; es handelt sich um eine Selbstgesetzgebung all derer, die in allgemeinen Wahlen die Zusammensetzung der gesetzgebenden Institutionen bestimmen. »In einem freien Staat soll jeder Mensch, dem man eine freie Seele zugesteht, durchsich selbst regiert werden«, meinte bereits Montesquieu ( Vom Geist der Gesetze , 11, 6), und er sah dafür Repräsentanten vor, zu deren Wahl die Wähler »erstaunlich geeignet« seien (2, 2), da sie die fraglichen Personen und ihr Tun und Lassen zuverlässig beurteilen könnten. Repräsentanten waren es jedenfalls, die, inspiriert von Philosophen wie Samuel Pufendorf und John Locke, zuallererst Menschen- und Bürgerrechte postulierten, 1689 in der Bill of Rights mit Signalwirkung über England hinaus, 1776 in der Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten von Amerika mit größter Signalwirkung weit darüber hinaus, 1789 in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte durch die französische Nationalversammlung mit sehr weit reichender politischer Wirkung, 1948 durch die Generalversammlung der Vereinten Nationen mit planetarem Anspruch. In Form von Grundrechten werden Menschen- und Bürgerrechte jedem Einzelnen im Geltungsbereich der Verfassung eines Staates garantiert, um sowohl die staatliche wie auch jede andere Machtausübung über ihn zu begrenzen. Mit der Wahrung der Grundrechte werden gesetzgebende, ausführende und Recht sprechende Institutionen der staatlichen Macht betraut.
Die eigentliche Grundlage des demokratischen Rechts ist jedoch die Ethik des Einzelnen , die dem Recht vorausgeht und seine Umsetzung begleitet: Die Idee zur Festschreibung von Menschenwürde und Menschenrechten beruht auf dem Anspruch von Individuen auf ein schönes, bejahenswertes Leben ohne Abwertung und Demütigung, und Individuen setzen auch ihr Leben dafür ein, diese Idee zu realisieren. Das Recht wiederum ist kein Selbstzweck, es dient dem Wert der Gerechtigkeit , und auch diese Wertsetzung geht auf die Ethik des Einzelnen zurück: Damit sein Leben schön undbejahenswert sein kann, muss eine Bejahung überhaupt erst möglich werden. Sie ist nicht gut möglich bei offenkundig bestehenden Ungleichheiten im Verhältnis zu Anderen, die nicht nur graduelle, sondern gravierende Benachteiligungen zur Folge haben und irgendwann nicht mehr hinzunehmen sind. Für den Kampf um mehr Gleichheit werden Rechte geltend gemacht, bei denen es sich zunächst um individuell beanspruchte, natürliche Rechte handelt, wobei »Natürlichkeit« Unantastbarkeit und Selbstverständlichkeit suggerieren soll. Aus ihnen sollen, so der Wunsch, allgemein verbürgte, kodifizierte Rechte hervorgehen, die mit einer »Garantie« für ihre Geltung ausgestattet sind. Auch wenn niemand zweifelsfrei ein für alle Mal bestimmen kann, worin genau die ideale Gerechtigkeit besteht, ist Gerechtigkeit dennoch unverzichtbar als Leitidee und immer wieder neu zu bestimmender Begriff , anhand dessen eine Realität beurteilt werden kann. Das subjektive Gespür für Gerechtigkeit kommt auch ohne objektiven Maßstab aus und wird zum Gerechtigkeitssinn dafür, was hinnehmbar ist und was nicht, was unzureichend ist und was »zu weit geht«. Das Gespür kann Plausibilität für sich in Anspruch nehmen, wenn Ungerechtigkeiten geschehen, die schwerlich zu leugnen sind.
Aber darüber, was ungerecht »ist« und nicht nur so
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